Als Ende Januar 2002 die Ereignisse ihren Lauf nahmen,
die mich selber zum geächteten, gedemütigten und vertriebenen
Brundibár machten, war ich 58 Jahre alt, geboren im Zeichen des
Hakenkreuzes. In meiner Geburtsanzeige steht, dass ich an die Stelle meines
Vaters zu treten hätte, der soeben "für des Reiches Größe",
was viel mehr als nur Geographisches bedeutet, in Russland gefallen war.
Keinen geringen Teil meiner Lebensenergie musste ich dafür aufwenden,
mit dieser unseligen Gesandtschaft fertig zu werden.
So etwas gehört eigentlich nicht vor jedermanns Augen.
Ich breite es hier aus, weil man sonst zwei Dinge kaum verstehen kann.
Erstens die besondere seismographische Empfindlichkeit, die mich bei aller
Rührung und Wohlgesonnenheit die inhumane Botschaft der Kinderoper
"Brundibár" sofort erspüren ließ - im Zweifel
und Verdacht erweckenden Unterschied zu den Ungezählten, die ihr
unangefochten auf den Leim gehen; zweitens die Energie, auch den Mut und
die Opferbereitschaft, die es brauchte, dann auch konsequent zu forschen,
zu publizieren, zu kämpfen, koste es, was es wolle. Ja, es war wirklich
so ein Luther-Erlebnis: da stand ich und konnte nicht anders, unter keinen
Umständen. Anders hätte ich es auch nicht ausgehalten, Erfahrungen
machen zu müssen wie die, von denen ich hier erzähle und die
hier dokumentiert werden.
9. Januar 2002
LANDESBISCHÖFIN DR. MARGOT KÄßMANN eröffnet die Ausstellung
"Brundibár" an meiner Schule, der Integrierten Gesamtschule
Hannover-Linden. Ich selbst bin - wie auch andere Beteiligte des sich
dann anbahnenden Konflikts - anwesend und von der Rede wie auch der Ausstellung
selbst und anderen Bestandteilen des Rahmenprogramms tief bewegt. Ich
zitiere die Eröffnungsrede weitläufig, weil sie in mehrerlei
Hinsicht äußerst informativ ist:
- sie vermittelt eine Vorstellung vom Rang der Kinderoper
im internationalen Gedenkwesen und liefert wichtige Informationen über
sie selbst und ihren historischen Hintergrund;
- sie setzt ins Bild über das groß angelegte
Projekt der IGS Linden;
- sie bezeugt eindrucksvoll die allgemeine Stimmungslage, auf die das
Werk so wie überall so auch in Hannover traf sowie die bewegende
Wirkung, die es haben kann; sie macht unmittelbar verständlich, jedenfalls
nachvollziehbar, wie heikel es sein musste, die Oper plötzlich in
ein kritisches Licht zu tauchen.
Sehr geehrte Damen and Herren, liebe Schülerinnen
und Schüler,
ein großes Projekt haben Sie sich für das
Schuljahr 2001/2002 an der IGS Linden vorgenommen, jahrgangs- und fächerübergreifend.
Sie haben Ihre schon langjährige Tradition aufgegriffen, bei der
im Rahmen der Projektwoche die 9. Jahrgangsstufe auf dem Gelände
der Gedenkstätte Bergen-Belsen mitgearbeitet and so auch eine inhaltliche
Auseinandersetzung für die Schülerinnen und Schüler mit
dem Holocaust geschaffen wird. Daraus ist dieses Mal eine große
Aktion der ganzen Schule geworden. Neben einem Höhepunkt des Gesamtprojektes
der Aufführung der Kinderoper in der Marktkirche, ist aber auch
besonders die Ausstellung hier in der Schule hervorzuheben mit Zeichnungen
von Frau Helga Weissova-Hoskova, die sie als Kind in Theresienstadt
gezeichnet hat. Unter dem Thema "Zeichne, was du siehst" wird
die Ausstellung hier bis zum 8. Februar 2002 zu sehen sein.
Daneben haben Sie noch vieles andere organisiert, wie die Ausstellung
"Exodus" in der Marktkirche, den ganz besonderen Treffpunkt
mit Zeitzeuginnen aus Theresienstadt Frau Evelyna Merova and Frau Eva
Hermannova in der Marktkirche and die Begegnung mit Ihnen, Frau Wettberg,
der ersten Vorsitzenden der liberalen jüdischen Gemeinde in Hannover.
Ich begrüße es sehr, dass die IGS Linden die Initiative ergriffen
hat, die Kinderoper "Brundibár" in Hannover aufzuführen
and durch eine Ausstellung hier in der Schule und die anderen Aktivitäten
zu begleiten.
1938/39 hatten A. Hoffmeister and H. Krása die Oper "Brundibár"
geschaffen. Sie konnte im damaligen Prag nur zweimal illegal aufgeführt
werden. Der nach Theresienstadt deportierte and später ermordete
Komponist Hans Krása hatte 1942 im Lager eine 2. Partitur erstellt.
"Brundibár" erreichte in Theresienstadt große
Beliebtheit. Zwischen 1943 and 1944 gab es insgesamt 55 Aufführungen.
Bald missbrauchte der NS-Staat das Kindersingspiel als Vorzeigestück
gegenüber der internationalen Öffentlichkeit. Wie einstige
Darsteller und Überlebende berichten, eröffnete das gleichnishafte
zeitlos-zeitbezogene Thema der Oper aber auch Möglichkeiten des
versteckten Widerstandes. Immer wieder musste der Chor ergänzt
werden, weil einzelne Kinder in die Vernichtungslager deportiert wurden.
Das Ensemble musste das große Finale sowohl bei dem Kommissionsbesuch
im Juni 1944, als auch bei den Dreharbeiten zum NS-Propagandafilm "Theresienstadt
- Der Führer schenkt den Juden eine Stadt" im August 1944
aufführen. Danach wurde es nicht mehr gebraucht. Zusammen mit 18.000
weiteren Häftlingen wurden fast alle Beteiligten mit den Herbsttransporten
1944 nach Auschwitz geschickt. Nur wenige haben die weitere Deportation
überlebt. Als im Frühjahr 1945 eine weitere Aufführung
von ,Brundibár" angeordnet werden sollte, um eine weitere
Kommission zu täuschen, musste der Versuch scheitern. Es waren
nicht mehr genug Kinder im Ghetto.
[
]
Die Kinder haben ihre Opferrolle nicht angenommen und der Vernichtungsmaschinerie
etwas entgegengesetzt: Ihre Fantasie, ihren Glauben an eine bessere
Zukunft and ihre Menschlichkeit. Die Botschaft dieser fröhlichen
and musikalisch großartigen Kinderoper führt ohne moralisch
erhobenen Zeigefinger zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem
Nationalsozialismus and seinen Verbrechen. Ein Überlebender, Paul
Aron Sandfort, aus Dänemark schreibt in seinen Erinnerungen "Licht
im Dunkel", wie er als 10jähriger mit der Trompete bei der
Kinderoper mitgewirkt hat. "Ich konnte kein Tschechisch, aber durch
"Brundibár" lernte ich die Wörter für Milch,
Brot, Butter, Zucker, Eiskrem, Kuchen, Eier and Brezel. Das waren alles
Sachen, die wir ewig nicht gegessen hatten. Wir bekamen täglich
nur eine Scheibe trockenes Brot, and wenn wir von den Seeligkeiten sangen
und sie uns vorstellten, konnten wir für kurze Zeit unsere Situation
vergessen. Mir läuft heute noch das Wasser im Mund zusammen, wenn
ich daran denke... Ein halbes Jahrhundert kann vergehen, Einzelheiten
and Erinnerungen können verblassen, aber das Gefühl für
diese Zeit bleibt lebendig, als wäre es gestern gewesen. Damals
war "Brundibár" für uns ein Traum, der lebendiger
war als das Leiden des Alltags in Terezin, ein Licht im Dunkel der Gefangenschaft,
ein Hoffnungsschimmer, der über den Stacheldraht hinaus in das
freie Leben gelangte. Heute, wo wir mit dem Aufleben rechtsextremistischer
Gruppen konfrontiert werden, stellt die Oper "Brundibár"
für die Zukunft unserer Kinder erneut eine Hoffnung dar."
Wie gut, dass Schwester Maria Veronika Graters 1985 die in Vergessenheit
geratene Kinderoper wieder in die Öffentlichkeit gestellt and auch
in deutscher Sprache zur Aufführung gebracht hat am Mädchengymnasium
in Freiburg. Schwester Veronika hatte selbst unter dem Naziterror gelitten
and war bei ihren Familienforschungen auf die Oper gestoßen. Ihren
Nachforschungen and ihrem Engagement ist es zu verdanken, dass nach
1985 sie in vielen anderen deutschen Städten ebenfalls wieder aufgeführt
wurde, wie eben jetzt auch hier in Hannover.
Ich danke allen sehr herzlich, die an diesem großen Projekt hier
in der IGS Linden mitgearbeitet haben, und so einen engagierten Beitrag
geleistet haben bei der Aufarbeitung der NS-Zeit and der Auseinandersetzung
mit rechtsextremem Gedankengut in unserer Zeit. Ich wünsche dem
ganzen Projekt eine große and damit nur angemessene Resonanz in
Hannover.
23. - 25. Januar 2002
An drei Tagen sechs Aufführungen von "Brundibár"
durch meine Schule, alle sind ausverkauft. Sehr gute Presseresonanz.
25. 1. 02
Ich besuche die Oper mit meinem kurz vor dem Abitur stehenden Deutsch-Leistungskurs.
Ich bin sehr positiv eingestimmt und kann zunächst nicht glauben,
was mir die Kehle zuschnürt: dass die Oper nicht wie angekündigt
von Widerstand handelt, sonder von der Jagd einer Kindermeute auf einen
hilflosen Außenseiter, der auch noch "jüdische" Züge
gemäß den bekannten Klischees trägt, in dieser Aufführung
noch dadurch unterstrichen, dass das dunkelhäutigste Kind der Klasse
die Rolle spielt (in einer anderen Besetzung ist es die Verkleidung: vgl.
unten unterm 3. 2. 02). Verstört spreche ich zwei der Verantwortlichen
an, die aber keine Spur von Problembewusstsein zeigen und erkennen lassen,
dass sie sich bis zum Äußersten mit "ihrem" - offensichtlich
unkritisierbar heiligen - Werk identifizieren. Mir wird klar, dass ich
diese Sache unbeirrt in die eigene Hand nehmen muss.
Erschrecken auch noch über das von einem Oberstufenkurs
gestaltete Programmheft. Nicht nur, dass eine Formulierung (natürlich
ohne diese Absicht), zugespitzt ausgedrückt, sich in die Nähe
der Holocaust-Leugnung verirrt, nein: ganze Passagen geben die Geschichte
der Judenvernichtung als einen nach Kriterien von Effektivität notwendigen,
sachdienlichen, als einen Sachzwang ohne Täter wieder (vgl. "Streitschrift",
gegen Ende: links anklicken). Das Heft schließt mit der "Erkenntnis"
eines Schülers, "dass das KZ-Leben teilweise bewundernswerte
Charaktere hervorgebracht hat".
26. / 27. 1. 02 (Sa / So)
Internet-Recherche ergibt Erstaunliches, mir so nicht Bewusstes: Tausende
von Adressen..., teils sehr aufwändig gestaltet... "Brundibár"
scheint die weltweit meistaufgeführte Kinderoper zu sein und einen
zentralen Platz im internationalen Gedenk- und Völkerverständigungsbetrieb
einzunehmen (auch, schreckliches Wort für eine aber auch fragwürdige
Sache: in den holocaust industries). Dagegen nicht eine kritische Stimme
zum problematischen Inhalt! Immerhin einige wichtige Informationen, darunter
die wichtigste, dass die Verfasser zwar jüdische Vorfahren hatten,
in der Entstehungszeit der Oper aber keineswegs "Juden" im heutigen
Sinne waren, sondern (getaufte) Volksdeutsche', von denen 1938 -
Hitler ante portas! - 90 % die berüchtigte, Hitler ergebene Sudetendeutsche
Partei wählten (was nichts beweist, aber Möglichkeiten ahnen
lässt, Anstößiges und Widersprüchliches zu erklären
und zu verstehen).
Folgerung, dass ich auf etwas gestoßen bin, das noch ganz andere
als lokale Dimensionen hat. Ich muss der Sache mit solider Forschung nachgehen,
zunächst einen Artikel schreiben und versuchen ihn etwas bei der
"Zeit" unterzubringen.
Um schnellstmöglich an einen Text der Oper zu kommen,
besuche ich ein um die Ecke wohnendes Kollegenehepaar, beide Faschismusexperten:
eins ihrer Kinder hat mitgespielt. Mein Befund stößt sie zunächst
vor den Kopf, beide stimmen aber sehr bald zu: wir sind uns einig, dass
hier offenbar ein Tabu zu kollektiver Blindheit selbst unter Kennern führt.
Aber auch darin, dass jetzt erst einmal ganz vorsichtig mit den auf ihre
Leistung stolzen, aber auch noch von Überlastung gezeichneten Kindern
umgegangen werden muss.
Mein jetzt ermöglichtes Studium des Operntextes bestätigt
meine ersten Eindrücke vollauf, ja veranlasst mich zu noch deutlich
weiter gehenden Thesen: das Werk ist in zunächst erschreckender Weise
(dann fragt man sich: wieso eigentlich nicht?) von einem Zeitgeist erfüllt,
zu dem eben auch völkischer Chauvinismus, Intoleranz gegenüber
Randgruppen und Antisemitismus gehörte. Was sein historisches Verdienst
um die um ihr Leben bangenden Ghetto-Kinder natürlich in keiner Weise
mindert, dieses Verdienst aber mit historischer Tiefenschärfe sehen
lässt und neue, differenzierende, hochinteressante, betroffen machende
Perspektiven eröffnet - freilich auch Klischees zerbricht, wie man
sie so liebt (Opfer sind rein, KZ erzeugt heldenhafte Vorbilder: s. o.
...).
Über Nacht schreibe ich den Artikel "Jugendgefährdend:
Die Kinderoper 'Brundibár' gehört ins Museum und nicht auf
die Bühne. Ein mit Schmerzen verbundener Durchleuchtungsversuch"
(links "Streitschrift" anklicken!). Das erste Wort ist selbstverständlich
nicht "disziplinarisch" gemeint, wie später unterstellt
wird (es meint offensichtlich nur den Operntext, nicht das Tun der Aufführenden,
und es ist als These gekennzeichnet: rhetorische Frage am Schluss: "oder
etwa nicht?"), es ist aber bewusst provokant im journalistisch-rhetorischen
Sinne: ich will gelesen werden und signalisiere, dass "Anstößiges"
zu erwarten ist. "Ins Museum" heißt nicht aus dem
Verkehr gezogen', sondern: in den Kontext einer distanziert-historisierenden,
zugleich verstehenden und kritischen Betrachtung gerückt'; "nicht
auf die Bühne" ist nicht absolut gemeint, sondern auf das übliche,
gerade erlebte naiv aktualisierende Nachspielen gemünzt (vgl. - links
anklicken - den Schluss des "Essays" und besonders "Brundibár
aufführen?"); "mit Schmerzen": zunächst für
mich selbst, dann für die engagierten und verdienten Macher der Oper,
dann aber auch für alle, die wir hinnehmen müssen, dass etwas
ja wirklich in gewisser Weise Heiliges Federn lassen und sich kritische
Fragen gefallen lassen muss. Überhaupt möchte ich deutlich werden
lassen, dass ich nicht hämisch mit den Fingern auf anderer Leute
Fehler zeigen, sondern "wir" sagen und solidarische Kritik üben
möchte ("an uns alle", "es muss etwas anders werden":
damit soll angedeutet sein, wovon ich erst mal nur vage Vorstellungen
habe: dass irgend etwas nicht stimmt, dass Wichtiges verloren gehen mag,
vielleicht der Blick für die Kinder, wenn wir so aufwändige
- mit Prominenz dekorierte, mit anderen ihre Interessen verfolgenden Institutionen
- Sachen machen... peu à peu wird herauskommen, wie berechtigt
diese Ahnungen sind).
28. 1. - 1. 2. 02
Fast alle meine Schüler haben "Brundibár" gesehen,
viele waren auch schon bei der Eröffnungsveranstaltung mit der Bischöfin
(s.o.) gewesen - es bietet sich an, ja ergibt sich zwangsläufig,
dass in meinem Unterricht (außer dem Leistungskurs Deutsch Kurse
in Geschichte und Werte und Normen / Philosophie) über die Aufführung
gesprochen wird. Auf der einen Seite sind Einstellungen und Äußerungen
der Schüler stark von einer politisch korrekten Sichtweise bestimmt,
wie die Bischöfin sie exemplarisch vorgeführt hat (Ähnliches
haben natürlich Schulleiter, Pastorin, projektbeteiligte Kolleginnen
und Kollegen... getan), andererseits haben Unbefangene unplanmäßig
Anstoß genommen: da werde ja einer ausgegrenzt und von einer Überzahl
"fertig gemacht", selbst wohl ein Jude. Eine geradezu persönliche
Kränkung wird bei einem sehr klugen Schüler aus Schwarzafrika
deutlich. Selbst wenn ich es wollte, könnte ich mit meinen Forschungsergebnissen
und wohlbegründeten Thesen nicht hinterm Berg halten - dürfte
ich es? Betroffener, erregter Widerspruch von einigen der Schülerinnen
und Schülern, die selbst am Projekt beteiligt waren, z.B. in dem
Geschichtskurs waren, der das Programmheft und die CD-ROM (!) gemacht
hat: aber das kann doch nicht sein, der Geschichtslehrer, die Pastorin,
die Bischöfin, das Internet...! Klar wird:
Es bedarf jetzt dringend und ohne Verzug der schulöffentlichen
Diskussion!
31. 1. 02
Ich verteile meinen Text in der Schule bzw. hänge ihn (in verkleinerter,
wenig auffallender Form) aus. Den Schulleiter frage ich nicht, informiere
ihn aber und bitte ihn um Unterstützung. Genaueres in "Zur Stellungnahme
des Kultusministeriums" unter "Petition an den Niedersächsischen
Landtag" (links anklicken).
Über das, was dann geschieht, bin ich teils auf Vermutungen
angewiesen und überdies zur Verschwiegenheit verpflichtet. Klicke
aber auf "Der Angriff" und beachte die Datierungen! Vgl. auch
"Zur Stellungnahme des Kultusministeriums", besonders den Schluss
des "Nachtrags"!
1. 2. 02
Wortlos und mein Gesprächsangebot zurückweisend wird mir von
Schulleiter und Leiter der Sekundarstufe II das als Schreiben vom Schulpfarramt
deklarierte Fax der projektleitenden Schulpastorin übergeben, mit
dem jetzt, bevor noch ein vernünftiges Wort gesprochen wurde, der
eben noch nicht existente und eigentlich nicht schwer zu handhabende Konflikt
außer Kontrolle gerät: "Der Angriff" anklicken!
2. 2. 02
Telefonate mit hilfreichen Freunden und Bekannten, darunter namhafte Experten.
Ich habe das Gefühl auf einer sich beständig vergrößernden
Woge von Zustimmung zu schwimmen und könnte jetzt schon ein absolut
erstklassiges Podium zusammenstellen (welch eine Vision für meine
Schule, wenn sie nur wollte!). Insbesondere schwinden die Skrupel, in
meinem mit Entdeckereuphorie gemischten Überengagement mich selbst
oder die Bedeutung der Sache vielleicht doch zu überschätzen.
Nein, mir ist eine wichtige Aufgabe zugefallen.
3. 2. 02
Um nicht vollends in die Defensive zu geraten schreibe ich an Institutionen
und Personen, an die sich laut Fax die Pastorin gewandt hat: an die Schulbehörde,
an den Ministerpräsidenten, an die Landesbischöfin, an das evangelische
Schulpfarramt, an die Ev. Akademie für Erwachsenenbildung, an die
Marktkirchengemeinde (links anklicken: Die Verteidigung). Ich müsste
auch noch an das Kulturamt der Stadt Hannover schreiben, an das Theaterpädagogische
Zentrum..., schaffe das aber nicht mehr. Ich mache ihnen die Dokumente
zugänglich (Text der Oper, meinen Essay-Entwurf) und bitte in jeweils
auf den Adressaten abgestimmter Weise um Hilfe: klicke auf "Die Verteidigung".
Ich habe das Gefühl, diese Briefe schnellstmöglich loswerden
zu müssen, und verteile sie noch am späten Sonntagabend in die
entsprechenden Briefkästen. Einmal hilft mir beim Suchen der Superintendent
Puschmann von der Marktkirche, an den einer der Briefe, weitgehend gleichlautend
mit dem an Frau Käßmann, gerichtet ist. Er wird umgehend reagieren:
siehe unterm 4. 2. 02!
Öffentlichkeit: In der Evangelischen Zeitung erscheint
ein schön bebilderter und gut geschriebener, sehr positiv würdigender
Bericht über die Opernaufführungen. Die Projektleiterin wird
so zitiert: "Die Botschaft der Oper, dass man durch Zusammenhalt
und Solidarität etwas schaffen kann, haben die Kinder ganz praktisch
erlebt". Schade, dass in Wirklichkeit die "Solidarität"
der Kinder auf dem Rücken eines Hilflosen gewonnen wird, der im Recht
ist und dessen randständige Existenz sie vernichten. Der hier abgebildeten
Darstellerin des (dreifach besetzten) Brundibár, der Tochter des
Theaterpädagogen (!), sind passend zum schwarzen Hut (!) und Anzug
dichte schwarze Brauen und ein starker schwarzer Bartwuchs (!) ins Gesicht
gemalt. Die Unterschrift ist fast richtig: er "verkörpert in
der Geschichte das Böse"; ganz richtig wäre: er wird (von
den Kindern, von der Oper) als böse denunziert, zum Bösewicht
gemacht!
4. 2. 02
1. Stunde Unterricht: Kombinationskurs Geschichte/Literatur in 12. Ich
mache eine "aktuelle Stunde": verteile und analysiere mit den
Schülern, die größtenteils mit mir "Brundibár"
besucht haben, den Operntext, nachdem wir schon in der Vorwoche erste
Eindrücke ausgetauscht hatten. Einige haben anschließend bei
der Schulpastorin und werden ihr berichten.
Später erfahre ich, dass der Superintendent Dr. Puschmann,
Pastor der Marktkirchengemeinde und berühmter Prediger, sofort nach
Erhalt seines Briefes an diesem Morgen den Schulleiter angerufen und von
unserer nächtlichen Zufallsbegegnung berichtet hat. Weiteres weiß
ich von diesem Telefongespräch nicht. Aber Puschmann hat mir wie
die Bischöfin und alle übrigen Kleriker nie geantwortet, und
von Freunden, die bei ihm nachfassen, wie auch über andere Kontakte
zu Kirchenkreisen erfahre ich, dass dort folgende Parole ausgegeben ist:
Ja, an der IGS Linden gibt es einen Dr. Asbeck, der hat ein Problem.
ca. 11 Uhr
Ich erhalte unter Hinweis auf meine Schrift und den Gegenstand meines
heutigen Unterrichts (s.o.) Hausverbot und für 16 Uhr eine Vorladung
bei der Bezirksregierung.
Über das, was sich dort dann zuträgt, kann ich
aus Gründen der beamtlichen Verschwiegenheit nicht berichten. Vgl.
aber "Zur Stellungnahme des Kultusministeriums": es versteht
sich von selbst, dass ich alles dort noch einmal Klargestellte bereits
bei diesem Termin in der Bezirksregierung vorgetragen habe.
Ergebnis: ich werde zur Wiederherstellung des Schulfriedens
zunächst bis Ostern an eine andere Schule abgeordnet. Das Hausverbot
bleibt bestehen.
Dies wird die Integrierte Gesamtschule in der an Hannover
grenzenden Stadt Langenhagen sein. Dort werde ich auch bleiben. Das bedeutet:
Als ich mich an die IGS Linden versetzen ließ, bin
ich aus der Innenstadt in so unmittelbare Nähe meiner neuen Schule
gezogen (die Oberstufe, in der ich inzwischen ausschließlich unterrichte,
ist in dem meiner Wohnung direkt gegenüberliegenden Gebäude
untergebracht), dass ich praktisch keinen Schulweg mehr hatte. Da ich
mit meinen beiden Kindern allein lebe und meine Stundenzahl reduziert
ist, ermöglichte mir dies, sie morgens zu versorgen, erst nach ihnen
das Haus zu verlassen und mittags gekocht zu haben. Nun muss ich in der
Regel aus dem Haus, bevor sie aufstehen, und komme oft erst nachmittags
zurück. Ich rechne aus, dass sich die Lebenshaltung um mehr als 150
Euro pro Monat verteuert, und das bei reduziertem Gehalt. Bis zum Sommer
bin ich in Vertretungs- und Förderunterricht der Sekundarstufe I
eingesetzt, während ich bis dahin überwiegend Kurse gab, die
zum Abitur führten - Ressourcenverschwendung also auch auf der andern
Seite.
Ich bin 13 Jahre lang an der IGS Linden gewesen - länger
als in jeder anderen Institution, länger als an jedem anderen Ort
in meinem Leben. Durch anspruchsvollen Unterricht und vielfältiges
Engagement weit über den Rahmen des Üblichen hinaus habe ich
wie nur wenige andere diese Schule mit geprägt. Das unter meiner
Leitung entstandene Buch über die Straße, in der das Gebäude
der Oberstufe liegt, "Die Beethovenstraße", gehört
zum Besten, was an dieser Schule je produziert wurde (Teile daraus werde
ich in dieser Homepage wieder zugänglich machen, vgl. aber auch jetzt
schon: "Winnetou und andere Publikationen von H. A.": links
anklicken). Wenn irgendwo, fühle ich mich hier zu Hause.
5. 2. 02
Nachmittags Anruf eines Musikklassen-Vaters (Klasse, die "Brundibár
aufgeführt hat!), der meiner "Brundibár"-Analyse
mit großer Anerkennung zustimmt und sich für den Anstoß
zur Kritik, den ich gegeben habe, im Namen auch anderer Eltern bedankt.
Mehrere Eltern haben Anstoß am Inhalt der Oper, besonders an der
Figur des Brundibár, genommen, in dem auch sie durchaus "einen
Juden" gesehen haben. Unmut ferner wegen Überforderung und "Enteignung"
der Kinder, stundenlanges Stillsitzenmüssen usw. Man plant, mit mir
eine Podiumsdiskussion auf die Beine zu stellen!
Die Eltern haben von ihren Vertretern ein dickes Konvolut
erhalten - über ihre Kinder, denen von den Stammlehrern eingeschärft
wurde, die verschlossenen Umschläge keinesfalls selbst zu öffnen,
was die Kleinen natürlich ganz heiß auf den Inhalt gemacht
hat (!!!). U. a. ist enthalten:
1. ein Brief des Schulleiters an Eltern und Schüler,
der voll des überschwänglichsten Lobes für alle Beteiligten
ist, in dem es aber auch heißt:
dass sich die Schulleitung von den Äußerungen
eines Kollegen, der sich in schriftlicher Form auch Ihnen gegenüber
negativ über das Projekt geäußert hat, in schärfster
Form distanziert. Unsere Projektpartner (Schulpfarramt [...] und Theaterpädagogisches
Zentrum [...] haben Ihren Protest gegenüber den Äußerungen
des Kollegen bereits der Schulleitung übermittelt.
Der Schulleiter argumentiert hier mit genau den Schreiben,
die in offensichtlicher Absprache und Abstimmung am 1. 2. verfasst worden
sind: den Briefen von Pastorin und Theaterpädagoge (s.o.)!
2. Ein Brief der Elternvertreter an die Schulleitung vom 3. 2., der offensichtlich
auf der Kenntnis der Schreiben vom 1. 2. beruht und von deren Verfassern
beeinflusst ist. Im bekannten Tenor wird mir unterschoben, ich hätte
behauptet,
diese Opernaufführungen [!!!] seien jugendgefährdend,
antisemitisch und die Lynchjustiz fördernd.
Wo eigenständig formuliert wird, verrät sich
völliges Unverständnis meines Beitrags:
Die Identifikation der von den Nationalsozialisten Verfolgten
in Theresienstadt lief nicht über den Brundibár, sondern über
die Kinder Aninka und Pepicek.
(Das Schreiben findet sich unter "Der Angriff":
links anklicken!)
3. Der Brief des Theaterpädagogen (s.o. - ebenfalls unter "Der
Angriff").
4. Der Bericht in der Evangelischen Zeitung (s.o.).
5. Mein Aufsatz.
Abends Anruf einer überaus sachkundigen, interessierten
und hilfsbereiten Dame, die beim Landesverband der jüdischen Gemeinden
arbeitet: sie hat schon mit Prof. Kuna in Prag telefoniert, dem Verfasser
des einschlägigen Standardwerks (erschienen bei 2001) und gibt mir
E-mail-Adresse sowie Telefonnummer. Als ich sie über den neuesten
Stand unterrichte, reagiert sie entsetzt und sarkastisch-belustigt zugleich:
"Das kann doch nicht sein! Werden Sie jetzt exkommuniziert?"
6. 2. 02
Ich erhalte das einschlägige Fachwerk von Prof. Kuna (s. o.), das
einerseits bestätigt, dass meine Thesen neu sind, andererseits erkennen
lässt, dass sie sich sehr wohl in den Forschungsstand einfügen
lassen. Interessante, weiterführende Informationen: in Theresienstadt
habe sich Krása, der Komponist, von seinem Deutschtum ab- ... aber
nun nicht dem Judentum, sondern seinen tschechischen Wurzeln zugewandt.
Sollte das ganze "Brundibár"-Ereignis eher tschechisch
als jüdisch zu verstehen sein? Auf diesen Aspekt wäre ich von
alleine nicht gekommen (meine E-mail an Kuna: links unter "Brundibár
2002" "Verteidigung" anklicken).
Abends erster mehrstündiger (!) Anruf einer Mutter. Sie sucht Rat,
weil das Konvolut der Elternvertreter sie erreicht und zunächst ihr
Kind schwer getroffen hat:
Wenn Aninka und Pepicek "etwas zurückgeblieben"
seien, wie es zu Beginn meiner Streitschrift heißt, dann sei also
sie selbst, die immer die Aninka gespielt habe, so etwas wie behindert?
Aber auch sie selbst ist getroffen: schließlich
habe sie Kostüme besorgt, und nun solle der Brundibár "aus
der Kleiderkammer des alten Judenhasses und des modernen Antisemitismus"
ausgestattet worden sein?
Ich finde das überhaupt nicht komisch und kann der
Dame mühsam klar machen, dass ich sie und ihr Kind wie überhaupt
die ganzen Macher der Aufführung und diese selbst in keiner Weise
angegriffen, sondern in nur Text und Handlung der Oper kritisiert habe.
Sie sieht das schließlich ein und gibt mir am Ende (2. / 3. Telefonat
dieser Art) sogar inhaltlich Recht. Nebenbei kommt heraus, dass sie mit
vielem bei Entstehung und Aufführung sehr unzufrieden ist: vor allem
mit der Überlastung der Kinder, insbesondere ihres eigenen, das nach
den drei Operntagen (wie gesagt: sechs Aufführungen, in der Marktkirche,
immer mit Zeitzeuginnen und Prominenz, besonders mit viel Stillsitzen!)
einen Nervenzusammenbruch hatte.
8. 2. 02
Die Schüler zeigen mir den Entwurf ihrer Resolution (links anklicken:
"Schülerpetition"). Mir gefällt nicht alles, sehr
wohl aber das Ganze. Ich lehne ab, irgend etwas zu "verbessern".
Ich erhalte endlich den Klavierauszug der Oper - mit englischem
und vor allem tschechischem Text. Nun kann weiter geforscht werden.
9. 2. 02
Telefonate mit weiteren renommierten Wissenschaftlern und Publizisten.
Auf meinem Podium wird es langsam eng. Es gibt niemanden, der die Sache
nicht zumindest höchst diskussionswürdig- und -bedürftig
findet. Regelmäßig ungläubiges Staunen über unsere
Provinzposse - freilich auch, bei psychologisch und zeitgeschichtlich
gebildeten Leuten, Verständnis für die irrationalen Reaktionen
der Betroffenen. Mehrfach tauchen die Metaphern von "Tabu" und
"blindem Fleck" auf. Kritik an mir: zwar im Recht, aber den
Kollegen zu viel (auf einmal) zugemutet. "Hättste dir eigentlich
denken können" (ehemaliger Kollege). Auf die - zum Glück
- anhaltenden Schwierigkeiten der Deutschen mit ihrer Vergangenheit wird
verwiesen, an Jenninger- und Walser-Rede, an Handke und Botho Strauß,
an Faßbinders "Müll"-Stück erinnert. Kritik
aber auch an Gedächtnis-Betrieb und holocaust industries sowie an
der nach dem 11. September besonders in Amerika gut zu studierenden Tendenz
zu politsch korrektem Konformismus und Angst vor bzw. Abwehr, ja Destruktion
kritischer Öffentlichkeit.
10. 2. 02
Mit Hilfe einer Studentin aus Prag intensives Studium des Klavierauszugs
mit seinem dreisprachigen Text und einem in Details (unglaublich aussagekräftige
Textvarianten, wenn man meinen Ansatz weiterverfolgt!) wichtigen Vorwort.
Wir erstellen eine tschechisch-deutsche Interlinearversion - sehr aufschlussreich:
drei Sprachen, drei verschiedene Versionen der Oper, dabei ist die englische
die einzige mit (nicht durchschlagender, aber ansatzweiser) demokratisch-freiheitlicher
Tendenz, sie erfindet im Schlusschor glatt hinzu: "who wants the
tyrant's end" (anklicken: "Brundibár", dann "Inhaltsangabe"
und "Brundibár (English)"!
11. 2. 02
Ich erhalte einen Brief, der mir sehr wohl tut, von einer Mutter:
Sehr geehrter Herr Asbeck,
mit Bestürzung habe ich erfahren, dass sie an der
IGS Linden Hausverbot erhalten haben und an die IGS Langenhagen strafversetzt
wurden.
Mein Sohn ist Schüler der Klasse 6c der IGS Linden
und hat demzufolge an der Kinderoper "Brundibár" mitgewirkt.
Ihren Entwurf habe ich mit Interesse und dem Bedürfnis
nach kritischer Auseinandersetzung gelesen.
Ich hoffe, sie erhalten von vielen Seiten Unterstützung
und die Schulleitung der IGS Linden wird gezwungen, ihre undemokratische
Entscheidung zurückzunehmen.
12. 2. 02
ELTERNABEND DER AUFFÜHRENDEN KLASSE
Ein Waterloo für meine Gegner. Der Schulleiter ist
anwesend, die erste Wortmeldung fragt, wo denn der Herr Asbeck bleibe.
Ich werde sehr breit und klar, wenn auch nicht einhellig unterstützt.
Unzweifelhaft bleibt, dass die Elternvertreterin bei ihrer Einmischung
bzw. bie ihrem Eingespanntwerden weder im auftrag noch im Sinne der Elternschaft
gehandelt hat (vgl. oben unterm 5. 2.; später, am 17. 2., hat sie
das eingesehen und schreibt sie an die Schülervertretung:
Auf dem Elternabend wurde kontrovers
auf verschiedenen Ebenen diskutiert. Die persönliche Betroffenheit
der Projektbegleiter wurde ebenso deutlich wie die unterschiedliche
- auch inhaltliche - Beurteilung der Kritik des Herrn Dr. Asbeck. Das
Vorgehen (und die sich daraus ergebenen Konsequenzen für Herrn
Dr. Asbeck) der Schulleitung wurde von vielen der anwesenden Eltern
missbilligt, was jedoch nicht gleichzusetzen ist mit einer Zustimmung
zum Inhalt und Form des "Entwurfes" von Herrn Dr. Asbeck.)
Schade ist, dass einem schließlich gefundenen Konsens
zuliebe nicht auch noch die Idee eines Podiums abgestimmt wird (vgl. oben
unterm 5. 2.). Aus dem schulöffentlich verbreiteten Gedächtnisprotokoll
eines Elternpaares (er: Politikprofessor):
[gerichtet an den Schulleiter, der anwesend gewesen war:]
Es ist [...] verständlich, dass Sie die Lehrer
schützen wollen, die sich durch einen Aushang in der Schule einer
möglichen Dienstpflichtverletzung und entsprechender "Ahndung"
(wegen Jugendgefährdung) ausgesetzt sehen könnten. Aber: ist
diese Reaktion nicht eine zirkuläre und sehr dünn begründete?
Wie realistisch muß denn die Jugendgefährdung eingeschätzt
werden? Ein Vorgehen (wie Sie es gestern formuliert haben) gegen [...]
den musikalischen Leiter (!) halten wir in jeder Hinsicht für unwahrscheinlich.
[...]
[...] an dieser Stelle wäre unmittelbar die Schule
selbst gefragt gewesen. Wer gesehen hätte, dass hier eine Eskalation
quasi "spontan" sich anbahnte, hätte sie stoppen müssen.
An dieser Stelle fragen wir dann wieder, warum die 'Schutzbedürftigen'
nicht wenigstens eine kleine Chance erhalten haben, sich zu äußern,
ob sie denn wirklich diese amtliche Kettenreaktion wünschen oder
nicht. Ich bin sicher, daß wir zum einen uns nur selbst hätten
schützen mögen, z. B. durch eine offene Diskussion mit Herrn
Dr. Asbeck, die ihm möglicherweise mehr zu denken gegeben hätte
als alle anderen 'Schritte'. Zum anderen hätten wir unserem Interesse
Ausdruck verleihen können, das ganze schöne Projekt in schöner
Erinnerung zu halten und freiwillig sowie ohne pädagogische Anleitung
aus den angeführten Kritikpunkten an dem Stück etwas zu lernen.
Es ist ja doch immer noch so: auch Fehlinterpretationen sind doch ersteinmal
geschützt, und lernen kann man allemal, indem man/frau sich damit
auseinandersetzt.
Immerhin haben die Eltern, angestoßen von der
Kritik am Libretto, sich sofort auf die Ebene [des Inhalts] begeben.
[...] Und in Verbindung mit [der "kontextuellen"] Ebene sind
für uns erstaunliche, weiterführende Erkenntnisse herausgekommen.
Vor allem die Erkenntnis von der Vielschichtigkeit in der Geschichte
und der Wirkung des Stückes. Es gibt noch ganz andere Pfade als
die, welche von Herrn Dr. Asbeck und seinen Kontrahenten begangen wurden.
Es ist also, um unsere Schützer zu beruhigen, kein Keil zwischen
uns getrieben wurden, wir sind auch nicht auf eine "Kampagne hereingefallen",
stehen auf der richtigen Seite (nämlich der Vernunft) und bilden
(Gott bewahre) auch keine "Gemeinde von Herrn Dr. Asbeck"
[...].
13. und 14. 2. 02
Verdeckte, als konspirativ empfundene Unterschriftensammlung der Oberstufenschüler.
Katastrophal schlechte Stimmung im Kollegium.
14. 2. 02
Anruf eines hiesigen Universitätsprofessors, Politologe und Faschismusexperte,
der mir zu meinem Aufsatz "gratuliert" und sich als Gutachter
zur Verfügung stellt. (Womit er als einzigem nicht einverstanden
ist: der Formulierung "jugendgefährdend".)
15. / 16. 2. 02
Die Schüler haben untereinander 220 Unterschriften zusammengebracht,
das bedeutet fast geschlossene Unterstützung der Oberstufenschülerschaft
für die Petition (vgl. links: "Schülerpetition").
Ärgerlich: es werden erlogene Gerüchte verbreitet:
ich hätte am Tag der offenen Tür meinen Text unter den besuchenden
Eltern verbreitet, sei also schuld an der Überschreitung der Schulöffentlichkeit
(was doch eindeutig aufs Konto meiner Gegner geht: vgl. oben unterm 5.
2., 2. Absatz), es "gehe in Wirklichkeit um was anderes" - !!!
Brief eines bekannten SPD-Mannes (anklicken: "Schützenhilfe")
an Bundesministerin Bulmahn, Ministerpräsident Gabriel, Landtagspräsident
Wernstedt, Minister Jüttner, SPD-Chef und MdL Meinhold und andere
Parteigrößen.
18. 2. 02
Von der Behörde angeordnetes "Konfliktgespräch" der
Kontrahenten: Mir, mit einer Vertreterin des Personalrats allein, sitzen
unterm Vorsitz des Schulleiters die fünf für "Brundibár"
verantwortlichen Kolleginnen und Kollegen gegenüber. Das Gespräch
kommt offensichtlich zum falschen Zeitpunkt (es hätte sofort stattfinden
müssen, jetzt, nachdem die Gräben aufgerissen und die Fronten
verhärtet sind, kommt es für eine vernünftige Konfliktbewältigung
erster Instanz zu spät, für eine Versöhnung, um die ich
mich mit aller Kraft bemühe, zu früh), findet unter der falschen
Leitung statt (der Schulleiter hat sich ja gleich zu Beginn des Konflikts
einer Partei zugeschlagen und sich an ihre Spitze gestellt) und endet
erwartungsgemäß ohne entscheidende Aufweichung. Leider verbietet
mir meine dienstliche Geheimhaltungspflicht, die an sich sehr interessanten
Details wiederzugeben.
Ich fasse jetzt den Entschluss, doch zum Rechtsanwalt
zu gehen. Befreundete Kolleginnen und Kollegen drängen mich dazu
seit Wochen und wollen für die Kosten aufkommen, da ich finanziell
nicht so gut gestellt bin und keinen Rechtsschutz habe.
22. 2. 02
Termin beim Rechtsanwalt: Klärend, wohltuend. Anwaltliche Schritte
im Moment nicht, statt dessen auf innerschulische Diskussion hinarbeiten.
Ich bin ganz klar im Recht, habe nichts Verbotenes getan, sondern nur
meine staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten wahrgenommen (keiner
hätte z.B. was sagen können, wenn ich einen vernichtend rezensierenden
Leserbrief geschrieben hätte, also etwas weit "Schlimmeres"
und Öffentlicheres - auf "Landtagseingabe" klicken) - die
Gegenseite ist aber auch nur zu gut zu verstehen: Sensibilität des
Gegenstandes, "blinde Flecken" durch Identifikation und Engagement,
im Grunde wünschenswert, dass sich die Deutschen mit dem Erinnern
so schwer tun wie hier mal wieder. Gefahr, dass sich bei anhaltender Verhärtung
schließlich doch das Zerrüttungsargument durchsetzt. Disziplinarverfahren
gegen mich nicht zu befürchten, da gegenstandslos. Sicher, ich meinerseits
könnte sehr wohl ein Disziplinarverfahren gegen Schulleiter und Dezernent
einleiten, bei den bestehenden Machtverhältnissen würde dabei
aber am Ende, seiner Erfahrung nach, nichts herauskommen. Anregung, auch
Hilfe von außen / oben zu holen oder zu lancieren.
26. 2. 02
In Telefonaten mit mehreren Schülern bestätigt sich, dass tatsächlich
verdeckter Rufmord betrieben wird, ich erfahre sogar präzisen Wortlaut:
Im Hintergrund gehe es noch um ganz anderes, teilweise länger Zurückliegendes,
worüber man in meinem Interesse nicht sprechen dürfe.
Titelzeile der heutigen Tageszeitung:
Versetzt
Streitschrift eines Lehrers sorgt für Unruhe an der IGS Linden
Um den Artikel zu lesen, "Pressebericht" anklicken.
Ein gar nicht genug zu rühmender Artikel: sachlich,
mit Durchblick, beiden Seiten gerecht werdend, statt Gräben zu vertiefen
eher Brücken bauend, parteilich für die Vernunft und den Diskurs.
Sehr schön die Allianz von altem Professor und freiheitlicher Jugend.
Setzt Zeichen, Maßstäbe.
Gleich, als ich nach Hause komme, Anruf des Redakteurs:
die Gegenseite hat sich zu Wort gemeldet und gesprächsbereit gezeigt,
wenn auch teilweise sehr widerstrebend und eher geneigt, mich dabei auszugrenzen!
Idee, die Oper "so" wieder aufzuführen und anschließend
zur Diskussion zu stellen. Ob ich bei letzterer mitmachen würde -
ja, natürlich. Aber schon eine sehr merkwürdige Vorstellung!
Es scheint mir ums Rechtbehalten zu gehen, um den Erweis, dass meine Bedenken
gegen Augenschein und Emotionen nicht ankommen. Eigentlich furchtbar,
wie schon wieder die Kinder instrumentalisiert werden sollen. Ich werde
auf etwas ganz anderes hinarbeiten: natürlich muss erst diskutiert
werden, und dann kann man prüfen, ob es eine adäquate (evtl.
"dekonstruierende", Um-) Inszenierung geben kann (Idee dazu:
Brundibár als riesiger Musik-Roboter - vgl. "'Brundibár'
aufführen?"). Utopisch? Dann hätte ich wirklich alles erreicht!
Telefonate: Nein, die 6c-Eltern werden eine bloße
Wiederholung auf keinen Fall mitmachen, dafür sehen sie dank meiner,
aber auch aufgrund schon davor liegenden eigenen Unbehagens den Text längst
viel zu kritisch, hinzu kommt der Überdruss am Benutztwerden.
Sie wollen auch weiter für mich aktiv bleiben: sich
an die Bezirksregierung wenden und meine Rückkehr fordern...
Auf der Straße Gespräch mit einem Nachbarn
(Jurist), der die "Brundibár"-Aufführung mit einer
äußersten Schärfe kritisiert: ekelerregendes Ausbeuten
von Holocaust-Gedenken und Kindern für Schul- und Kirchenreklame.
Wenn schon solche Stücke, dann im kleinen Rahmen: wo die Kinder und
ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt bleiben können. Das ist sehr
zugespitzt und einseitig, aber bedenkenswert und nicht einfach falsch.
Was mir widerfährt - er hat es gerade in der Zeitung gelesen - sei
die Erfindung einer neuen Kunstgattung: Weiterspielen der Oper in der
Wirklichkeit.
28. 2. 02
Die Neue Presse berichtet schon wieder, mit großen Lettern Fortschritt
verkündend:
Brundibár
wird diskutiert
Lehrer wollen umstrittene Oper noch einmal aufführen
HANNOVER. Im Konflikt
um die Streitschrift eines Lehrers zur tschechischen Kinderoper "Brundibár"
an der IGS Linden bahnt sich eine Entspannung an. Die Lehrer, die an
der Inszenierung in der Marktkirche beteiligt waren, wollen die Oper
mit ihren Schülern noch einmal aufführen und öffentlich
zur Diskussion stellen.
In einem Gespräch mit der NP signalisierten die Leiter des Theaterprojekts
gestern Diskussionsbereitschaft mit ihrem Kollegen Hans Asbeck , dem
Verfasser der Streitschrift. Der Lehrer war nach Verteilung und Aushang
seiner umstrittenen Kritik am Operlibretto von der Bezirksregierung
vorläufig an die IGS Langenhagen "abgeordnet" worden,
um "den Schulfrieden zu wahren".
"Wir können über alles reden, aber der Kollege muss auf
uns zukommen und einiges klarstellen", erklärte die Schulpastorin
[Name getilgt, H.A.] die das Projekt geleitet hatte. Der Inhalt der
Schrift und die Art seiner Verbreitung hätten die an dem Projekt
Beteiligten "tief getroffen" und die Schüler verunsichert.
Die Oper von Hans Krása war während der Nazi-Barbarei im
tschechischen Konzentrationslager Theresienstadt zum Symbol des Widerstands
und Überlebenswillens der Kinder geworden. Asbeck hatte ihre Handlung
in drastischer, problematischer Form analysiert. Sie sei aus seiner
Sicht ""jugendgefährdend" und gehöre "ins
Museum und nicht auf die Bühne".
"Natürlich tut es mir sehr leid, wenn ich mit meinem Text
die Kollegen und Beteiligten der eindrucksvollen Aufführung in
der Marktkirche so getroffen habe", erklärte Asbeck gestern.
"Ich habe das nicht gewollt, und es verlangt mich sehr danach,
mit den Projektteilnehmern zu reden. Auch weil die Auseinandersetzung
mit dem Text aus meiner Sicht notwendig ist."
Auch die Verfasser einer von 220 Oberstufenschülern unterschriebenen
Schülerresolution sprechen sich für "einen Weg der Versöhnung"
aus. Sie fordern die Rückkehr von Asbeck und eine offene Diskussion
über dessen Thesen. Freddy Schäfer, einer ihrer Sprecher:
"Dafür sollte das Hausverbot für Herrn Asbeck zurückgenommen
werden." -orr
Wunderbar, wie sich jetzt das Wort (es kommt von mir,
vgl. auch den Schluss meines "Winnetou"-Aufsatzes) - und dann
auch die Sache?! - "Versöhnung" durchsetzt.
Vielleicht nehme ich diesen Artikel als Vorlage für
einen Leserbrief, in dem ich eine vorläufige Bilanz ziehe: das Ganze
jetzt schon ein Lehrstück über die Wohltaten kritischer Öffentlichkeit,
die in der "Intimität" der Schule und der Beziehungen zwischen
machthabenden Institutionen (Kirche...!) zunächst keine Chance bekam
(Verteufelung meiner Schrift, Machtausübung und Meinungsunterdrückung
durch Personenentfernung, Diffamierung, Psychiatrisierung, Totgeschwiegenwerden),
aber nun durch die Gott sei Dank noch funktionierende "richtige"
Öffentlichkeit in die Schule zurückgezwungen wird. Wunderbar:
entscheidendes Verdienst der Schüler mit ihrer Berufung auf Grundgesetz
und "Bildungsauftrag" (links anklicken: ihre Petition)!! Dem
Journalisten Knorr gratulieren: im Kleinen, Bescheidenen eine journalistische
Großtat. Politik! So soll es sein.
Leider wird mir bei näherer Betrachtung klar, dass
man in der angekündigten Diskussionsbereitschaft eine Finte sehen
muss. Erfreulich ist, dass man wohl merkt, dass man sich den Ansprüchen
der Öffentlichkeit nicht einfach entziehen und wie unter Beamten
und in der Schule (!) auf Verbote setzen kann, aber das Eingehen auf diese
Ansprüche ist nicht seriös: man hat weder Kinder noch Eltern
gefragt, längst müsste aber klar sein, was sich so auch herausstellt:
dass diese eine weitere Aufführung, gar eine zu Demonstrationszwecken
(Instrumentalisierung der Kinder - nicht meine, sondern ein Elternformulierung),
nicht mitmachen werden (s.o.). Was die Pastorin angeht, so werden in den
folgenden Wochen alle meine zahlreichen Versuche, mit ihr ins Gespräch
zu kommen, auch die durch einen Kollegen vermittelten, scheitern.
1. 3. 02
Ohne dass ich danach gefragt hätte, erreicht mich Eltern- und Kinderkritik
an Brundibár-Projekt und Begleiterscheinungen, die teilweise nach
meienr Erfahrung wenig aussagt, vielleicht teilweise aber auch Licht wirft
auf das überzogene, teils starre Verhalten meiner Gegner: Eltern
fühlten sich und die Kinder für die Kirche sowie für IGS-Reklame
eingespannt; zu wenig Einbettung in den Unterricht - der Operntext wurde
im Unterricht überhaupt nicht besprochen - ... zu viele Abstriche
an anderen Inhalten zugunsten des Platz greifenden Riesenprojekts... autoritärer
Umgangsstil besonders bei den Bühnenproben, um die gewünschten
Resultate sicherzustellen... In der Tat wohl sicheres Scheitern eines
Wiederaufführungsplans am Widerstand der Kinder und Eltern. Höchstens
im Kleinen, in der eigenen Aula, nur für andere Schüler und
Eltern; keinesfalls Kopplung an "Diskussion": instrumentalisierend!
2. 3. 02
Leihe mir von dem Sammler, der auch die Oper ausgestattet hat, eine Drehorgel
aus, um bei einem Geburtstag eine selbstgedichtete Moritat vorzutragen
(keine Anspielung auf B.!). Im Gespräch mit der auch historisch sehr
beschlagenen Ehefrau erfahre ich Interessantes: Die Drehorgelspieler waren
Weltkriegs-I-Versehrte, die ihr Instrument als staatliche Unterstützung
erhielten. Ist das die Erklärung dafür, dass die Kinder Brundibár
als "Musiker ohne Beine" (so im tschechischen Original; körperbehindert',
ein Krüppel') verschreien? - Klare Bestärkung der Grundtendenz
meines Beitrags (ein Schwacher wird gejagt...), nicht: der Antisemitismus-Hypothese.
4. 3. 02
In der Neuen Presse zwei Leserbriefe: der erste, weh tuende, von Frau
Wettberg, der Vorsitzenden der liberalen jüdischen Gemeinde, zu der
ich früh, noch in der ersten Irritation, Kontakt aufgenommen hatte,
als ich noch die kundige Beratung suchte, die ich dann beim Landesverband
der jüdischen Gemeinden auch gefunden habe. Argumentation: Was Juden
für ihre Kinder im Lager "auswählten", kann nicht
schlecht gewesen sein und bleibt durch den Zusammenhang geheiligt; statt
zu verunsichern und zu verletzen, hätte ich mit den Machern des Projekts
diskutieren sollen (als ob ich genau das nicht gewollt und versucht hätte!):
"Dr. Asbeck meint, dass die Kinderoper Brundibár
wegen jugendgefährdenden Inhaltes ins Museum gehört. Offensichtlich
hat er sich seine Diagnose nun anders überlegt. Mir gegenüber
hat er den antisemitischen Inhalt moniert. Was auch immer, er will das
losgelöst vom historischen Hintergrund diskutieren. Ich will diesen
akademischen Diskurs nicht stören, weil Brundibár heute
ohne Theresienstadt kaum verstanden werden kann.
Vermutlich jüdische Häftlinge haben die Oper des jüdischen
Komponisten Hans Krása ausgewählt und durch jüdische
Kinder zur Aufführung gebracht. Hatten die Antisemitismus oder
Jugendgefährdung im Sinn? Nein, sie waren sicherlich glücklich,
dass ihnen die Nazi-Schergen Oper und Aufführung erlaubt haben.
Nach der Aufführung von Brundibár in der Marktkirche haben
drei Damen, die Theresienstadt überlebt haben, berichtet, dass
die Kinderoper in der furchtbaren Wirklichkeit des Konzentrationslagers
Theresienstadt einen wunderbaren Lichtblick bedeutet hat. So war Brundibár
in der Marktkirche ein kleines Stück authentisches Theresienstadt.
Was auch immer Dr. Asbeck zu beanstanden hat, er hätte einer sachlichen
Diskussion mit den Verantwortlichen seinem unüberlegten Rundumschlag
den Vorzug geben sollen. Geblieben sind Verunsicherungen und Verletzungen,
was das Gedenken an Theresienstadt nicht verdient hat."
Gerhard H. Brandes aus Laatzen:
"Dieser Artikel zeigt genau, dass es mit der viel
gepriesenen Meinungsfreiheit in Deutschland gar nicht so weit her ist.
Eine persönliche Meinung darf man doch gar nicht mehr äußern.
Querdenken ist unbequem und daher unerwünscht."
Schade: Wäre ich nicht abgewürgt und wäre
mein Podium ermöglicht worden, hätte Frau Wettberg, die in das
"Brundibár"-Projekt einbezogen war, eine wichtige Diskutantin
sein können. Die Missverständnisse, von denen ihr Leserbrief
geprägt ist (nie habe ich irgendwelchen Aufführenden Antisemitismus
unterstellt, stets die Rolle anerkannt, ja ihr höchsten Respekt erwiesen,
die "Brundibár" für die Kinder in Theresienstadt
gespielt hat), wären dann frühzeitig ausgeräumt worden
und man hätte gemeinsam in den wichtigen, in sich ganz widersprüchlichen
Punkten weiterkommen können: Gedenken durch "ein kleines Stück
authentisches Theresienstadt": ja (dies zu erleben hatte ja auch
mich zutiefst beeindruckt, diesen Aspekt zu pflegen ist ja gerade mein
Ansinnen, wenn ich die Oper "ins Museum" haben will - siehe
oben!) - aber wenn nun dabei heutige Kinder, sich identifizierend, etwas
vorführen und für zuschauende, selbstverständlich distanzlose,
nicht von historischem Interesse geleitete Kinder zum Vorbild kindlichen
Handelns erheben, was in sich inhuman, ja geistig gleicher Herkunft ist
wie die Verfolgung und Ermordung der kindlichen Opfer?
Herr Brandes trifft leider ins Schwarze. Ich hoffe und
kämpfe auch mit dieser Internetseite dafür, dass er am Ende
nicht Recht behält. Aber vielen Dank nach Laatzen!
In Langenhagen kann man mich gut gebrauchen, und ich stoße
allenthalben auf Teilnahme und Interesse an dieser Sache. Ich erfahre
zum ersten Mal seit meiner hessischen IGS-Referendarzeit wieder, was ein
gutes Betriebsklima ist. Aber erst mal will ich "erhobenen Hauptes"
nach Linden zurück, meinen Leistungskurs durchs Abitur bringen und
die Abiturrede halten! Dann noch ein Symposion zu "Brundibár",
wie man es an einer Schule noch kaum gesehen hat, und ich lasse mich zum
Sommer versetzen!
Hier endet die "Chronologie", mit der ich
vor drei Wochen begonnen habe, um die "Brundibár"-Ereignisse
zu dokumentieren und aus der dieser Text, stark um nicht für die
Öffentlichkeit Geeignetes gekürzt, gearbeitet ist. Ursprünglich
als Informationsgrundlage für die Gewerkschaft gedacht, ist eine
Art Tagebuch daraus geworden, in dem ich nicht nur festhalte und dokumentiere,
sondern auch reflektiere und auf persönliche Weise verarbeite - einschließlich
der eingescannten Dokumente 25 Seiten! Die Arbeit daran war mir ein Surrogat
für die unterdrückte öffentliche Diskussion.
5. 3. 02
Nun sind es nicht mal mehr drei Wochen bis zu den Osterferien. Ich fasse
den Entschluss, bevor alles zu spät ist, noch einmal Flagge zu zeigen
- für den Fall, dass ich wegbleiben muss, wenigstens ein Vermächtnis
zu hinterlassen -, indem ich den Oberstufenschülern meinen "Winnetou"-Aufsatz
von 1995 (anklicken: "Winnetou"!) schenke, in dem das eigentliche
Thema des Skandals, unsere Vernunft-, Streit- und Versöhnungsscheu,
ja sozusagen schon im Voraus behandelt ist. Sie verteilen in den folgenden
Tagen eine 400er-Auflage, mit von mir angeheftetem Bonbon und der Widmung:
"Ihr habt das Eure dazu getan, dass Winnetou an der IGS Linden nicht
sterben muss"; ich bekomme begeisterte Rückmeldung.
9. / 10. 3. 02 (Wochenende)
Ich unternehme letzte - fehlschlagende - Versuche mit der Pastorin ins
Gespräch zu kommen. Mit Erfolg rufe ich eine andere Kollegin aus
dem Kreis der Opern-Verantwortlichen an. Wir sind uns einig, dass etwas
geschehen muss und geschehen kann: Wir brauchen einen "Mediator".
Die Osterferien rücken heran. Mit deren Beginn endet
der Unterricht für meinen vor dem Abitur stehenden Deutsch-Leistungskurs
- wenn die Dinge noch eine Wendung zum Guten nehmen sollen, muss es jetzt
geschehen: welch deprimierende politische Erfahrung nehmen meine Schüler
sonst aus der Schule mit, von konkreten Einbußen und Benachteiligungen
zu schweigen.
Jetzt muss auch etwas geschehen, wenn ich mein Verhältnis
zu den Kolleginnen und Kollegen, die nicht in freundschaftlicher Verbindung
mit mir geblieben sind, in die Reihe bringen will. Da die Meinungsunterdrückung
durch Konfiszieren meiner Schrift, durch Hausverbot und Schweigeanweisung
gegriffen hat, wissen nur wenige einigermaßen Bescheid, die meisten
kennen meinen Artikel immer noch nicht! Die Gegenseite nutzt ihre Privilegien,
ihr Monopol.
Ich entschließe mich, an meine Gegner einen allen
Kolleginnen und Kollegen offenen Brief zu schreiben, in dem ich Streitpunkte
klarzustellen versuche, zur Verständigung aufrufe, Möglichkeiten
eigenen Fehlverhaltens oder Ungeschicks einräume, Brücken baue,
Angebote mache, auch das mit dem "Mediator" (anklicken: "Die
Verteidigung").
13. 3. 02
Ich nutze das Überbringen von Abiturmaterial, um nebenbei diesen
Brief in die Fächer zu legen. Verstoße ich damit gegen das
Hausverbot? Aus meiner Sicht nicht, denn es wurde ausdrücklich eingeschränkt:
es gelte für mich "als Lehrer" (so nimmt auch niemand Anstoß
daran, dass ich "als Vater" zum Elternsprechtag gehe usw.).
14. 5. 02
Mein Versöhnungsbrief hat bei den Angesprochenen nichts als Empörung
ausgelöst. Nun läuft die Zeit davon. Tatsächlich findet
in diesen Tagen ein dienstliches Gespräch statt, in dem auf fortdauernde
Zerrüttung plädiert wird, wovon ich aber erst später erfahre.
15. 3. 02 (Freitag)
In dieser Situation ohnmächtiger Verlassenheit, eines kaum noch erträglichen
Abgeschnittenseins, fasse ich den folgenschweren Entschluss - in dem Freunde,
die mir dringend abgeraten, ja Unterstützung entzogen haben, meinen
ersten wirklichen Fehler sehen - wenigstens einigen Kolleginnen und Kollegen
meine Chronologie zugänglich zu machen, obwohl sie viel zu viel Persönliches
enthält (auch Namen nennt), um für die Öffentlichkeit geeignet
zu sein. Ich packe um die zwanzig davon - jede Seite ist unübersehbar
als "vertraulich" gekennzeichnet - in neutrale Umschläge
und bitte meinen jüngeren Sohn, der Schüler der IGS Linden ist,
sie in die Lehrerfächer zu legen. Er wird beobachtet und angesprochen.
Niemandem der Adressaten traue ich einen Verrat zu. Dennoch fliegt die
Sache auf und schadet mir, wie sich zeigen wird, schwer. Besonders trifft
mich, dass meine Freunde mir diesen verzweifelten Alleingang übel
nehmen. Aber gerade auch von ihnen hatte ich mich verlassen gefühlt:
kein "Aufschrei", keine Kampagne (wie ich sie ohne Zweifel in
Gang gesetzt hätte)... in gewisser Weise tue ich ihnen Unrecht, wie
sich ebenfalls zeigen wird (am 20. 3.: siehe unten).
18. 3. 02
Zweiter Termin in der Bezirksregierung, diesmal mit Anwalt; vertrauliche
Chronologie und Versöhnungsbrief liegen auf dem Tisch, Vorwurf, das
Hausverbot mehrfach (auch schon durch Verbreitung der "Winnetou"-Schrift)
missachtet zu haben... Meine Abordnung wird verlängert, ebenso das
Hausverbot, das ausdrücklich auf die bevorstehende Abschlussfeier
der Abiturienten ausgedehnt wird. Nach den Fehlschlägen der vergangenen
Woche sehe ich kein Land mehr und kündige an, selbst meine Versetzung
zu beantragen.
Das ist kein Aufgeben, sondern die Verlagerung auf eine
andere Ebene. Um das zu unterstreichen, verabrede ich mit meinem Anwalt
auch, statt eines Disziplinarverfahrens gegen Schulleiter und Dezernent
eine Petition an den Niedersächsischen Landtag zu richten: Konzentration
aufs Wesentliche: die Verletzung der Meinungsfreiheit - und Ausstieg aus
dem lokalen Kleinkrieg. (Die Aussichten seien freilich, so der erfahrene
Jurist, "skeptisch zu beurteilen".)
Die Freunde grollen: wir hätten weiter um meine Rückkehr
kämpfen müssen.
20. 3. 02
Nach viel Unerfreulichem (beleidigte Reaktionen auf die durch ihren Verrat
natürlich in aller Munde geratende Chronologie...) ein großer,
die Stimmung wendender Lichtblick: die Resolution der GEW-Betriebsgruppe:
links "Schützenhilfe" anklicken.
22. 3. 02, Neue Presse:
Lehrer
Asbeck darf vorerst nicht an die IGS Linden zurück
HANNOVER. Der von der IGS Linden an die IGS Langenhagen
abgeordnete Lehrer Hans Asbeck darf in diesem Schuljahr nicht mehr an
seine Schule zurückkehren.
Das hat die Bezirksregierung nach einer weiteren Anhörung des Lehrers
für Deutsch, Geschichte und Philosophie entschieden. Asbeck hatte
schulintern eine Streitschrift über die von IGS-Kindern aufgeführte
tschechische Kinderoper "Brundibár" veröffentlicht
und damit Empörung ausgelöst. Er war daraufhin zunächst
bis zu den Osterferien von der Schule gewiesen worden.
"Wir wollen den Schulfrieden nicht weiter belasten", begründete
Bernd Ritter, zuständiger Dezernent in der Bezirksregierung, die
Verlängerung der Abordnung.
Sie bedeute zunächst noch keine endgültige Versetzung. Bis
zu den Sommerferien werde man "über die weitere Verwendung"
des Lehrers entscheiden.
In einer Unterschriftenaktion hatten 220 Oberstufenschüler Asbecks
Rückkehr an die Schule gefordert, weil sie die Meinungsfreiheit
bedroht sahen. Doch die erhoffte Aussöhnung zwischen dem Autor
der umstrittenen Streitschrift und dem Team, das die Oper in der Marktkirche
inszeniert hatte, ist bisher nicht zustande gekommen. Die Fronten haben
sich offenbar weiter verhärtet. -orr
25. 3. - 13. 4. 02
Osterferien. Ich setze meine Forschungen fort und arbeite meine Streitschrift
zum wissenschaftlichen Aufsatz aus. Insbesondere finde ich eine Lösung
für den Widerspruch, dass, wie mir immer deutlicher wird, bei den
Verfassern der Oper antisemitische Absichten praktisch auszuschließen
sind, das Werk selber aber den Antisemitismus der Zeit bedient und insofern
auch antisemitisch ist ("by default" ist die Formulierung, Produkt
eines Misslingens). Ich lasse diesen Text im Rohzustand, um eine Version
zu erarbeiten, die journalistische Qualitäten hat und einer der großen
Zeitungen zur Publikation angeboten werden kann.
19. 4. 02
Mein alter Deutschlehrer, dem ich Material geschickt hatte, hat mit geschrieben:
"[...] gelesen habe ich das ganze Konvolut umgehend,
und ich muss Ihnen sagen, dass Sie mich da mit einer ungemein fesselnden
Lektüre versorgt haben. Ein weiteres Beispiel dafür, wie
man in Deutschland zum Schweigen gebracht wird' (Peter Singer)."
22. 4. - 5. 5. 02
Im Lauf dieser beiden Wochen spricht sich zu mir herum, dass meine Gegner
sich nun auch das Internet gegen mich zunutze machen. Eine Freundin gibt
meinen Namen in eine Suchmaschine ein (mehr nicht!) und findet nach kurzer
Zeit unter schulelternrat.de folgenden Text:
Hans
Asbeck hat seine Versetzung an die IGS Langenhagen beantragt.
Nach der letzten
Aufführung der Oper Brundibár und dem erfolgreichen Abschluß
des Projektes hatte sich ein Lehrer der IGS Linden, Hans Asbeck an die
Lehrkräfte mit der Bitte um eine Diskussion gewendet. Die Lehrkräfte,
mit dem Aufräumen nach der Oper beschäftigt und bei einem
zweiten Kontakt krank geschrieben waren, hatten dies grundsätzlich
zugesagt .
Aber Hans Asbeck wartete ein Gespräch mit den engagierten Lehrkräften
und Schülern nicht ab. Er veröffentlichte kurz vor dem Tag
der Offenen Tür und der Anmeldewoche ein Kritikschreiben an der
Handlung der Oper [Anm. HA: vgl. dagegen oben
unterm 25. 2. 02 sowie die dann einsetzenden Reaktionen der Kolleginnen
und Kollegen: unter "Der Angriff", links anklicken; vgl. ferner
meine "Stellungnahme" unter "Pettion an den Niedersächsischen
Landtag"].
Wie die Neue Presse schreibt: "Asbeck hatte ihre Handlung in drastischer,
problematischer Form analysiert. Sie sei aus seiner Sicht "jugendgefährdend"
und gehöre "ins Museum, nicht auf die Bühne".
Die Formulierungen waren durchaus geeignet, auch als Kritik an den Lehrkräften
und SchülerInnen, die für dieses Projekt gearbeitet hatten,
empfunden zu werden.
Dieses Projekt hatte
zahlreiche Akteure und Unterstützer in und außerhalb der
Schule, die sich nun von dieser Kritik betroffen und empört zeigten.
Bislang liegt noch kein Schreiben dem Schulelternrat vor, in dem jemand
die Thesen von Hans Asbeck offen teilt. Und auch Hans Asbeck selber
betont einige Wochen später, dass er zugespitzte Formulierungen
gebraucht hat [Anm. HA: vgl. den Pressebericht
vom 28. 2. 03 - oben - sowie meinen Kollegenbrief vom 12. 3. 02 unter
"Verteidigung": links anklicken].
Hans Asbeck ist
ein sehr guter Lehrer und versteht es, die Schüler für den
Stoff zu begeistern und verstand es immer, eine persönliche Beziehung
zu seinen Schülern aufzubauen. Er kann sehr liebenswert sein.
Allerdings war es
schwer nachzuvollziehen, warum er diese überzogene und falsche
Kritik an diesem sehr erfolgreichen großartigen Projekt gerade
zu diesem Zeitpunkt veröffentlichen mußte, ohne ein inhaltliches
Gespräch mit denen abzuwarten, die ein halbes Jahr intensive Arbeit
in dieses Projekt gesteckt hatten [Anm. HA:
vgl. dagegen oben unterm 25. 2. 02 sowie die dann einsetzenden Reaktionen
der Kolleginnen und Kollegen: unter "Der Angriff", links anklicken].
Damit gefährdete er zukünftige Projektarbeit, damit tat er
Kollegen und Schülern sehr weh, die sich bis an das Ende ihrer
Kräfte engagiert hatten. Damit initiierte er pünktlich zum
Tag der offenen Tür und zur Anmeldewoche an der IGS Linden eine
besondere Art der Öffentlichkeitsarbeit.
Die Spirale drehte
sich weiter, eben weil dieses "Riesen"-Projekt so viel an
prominenter Unterstützung hatte. "Brundibár" war
kein internes Projekt, das mit den persönlichen und finanziellen
Mitteln der Schule auf die Beine gestellt werden konnte. Für Projekte
dieser Größenordnung braucht man die Unterstützung von
Personen, Organisationen, Stiftungen außerhalb der Schule. Wenn
ein äußerst provokatives Papier nicht Stoff einer Unterrichtseinheit
oder Grundlage eines Gespräches mit fachlich kompetenten und engagierten
Kollegen ist, sondern ohne Absprache mit den Kritisierten breit verteilt
wird, dann müssen auch die davon erfahren, die dieses Projekt unterstützt
haben. Der Schulleiter informierte die Bezirksregierung. Die Bezirksregierung
ordnete Hans Asbeck bis zu den Osterferien an die IGS Langenhagen ab.
Die Schulleitung weigerte sich mit dem Hinweis auf ein laufendes Personalverfahren,
den Eltern Genaueres mitzuteilen. Durch ihre Funktion war sie zum Schweigen
verpflichtet.
Und konnte sich
kaum gegen den jetzt kommenden Angriff verteidigen.
Der Konflikt lief
nun unter dem Begriff "Behinderung der Meinungsfreiheit an der
IGS Linden". Viele Schüler der Sek II solidarisierten sich
mit Hans Asbeck. Eltern schrieben an den Ministerpräsidenten, an
die Bildungsministerin, an Landtagsabgeordnete. Die "Neue Presse"
berichtete. In der Gesamtkonferenz der IGS Langenhagen wurde ein Antrag
zur Verteidigung der Meinungsfreiheit und Unterstützung von Hans
Asbeck diskutiert. Das inhaltlich nicht nachvollziehbare Kritikschreiben
von Hans Asbeck wurde kopiert und kopiert und kopiert... Inzwischen
gestand auch Hans Asbeck ein, dass das Schreiben zugespitzt und überzogen
war. [Anm. HA: vgl. den Pressebericht vom 28.
2. 03 - oben - sowie meinen Kollegenbrief vom 12. 3. 02 unter "Verteidigung":
links anklicken]
Zu spät ...
Dem Ruf der IGS
Linden im Stadtteil wurde ein starker Schaden zugefügt, die Identifikation
mit der Schule beschädigt. Die Anmeldezahlen für den kommenden
fünften Jahrgang reichen gerade mal für fünf Parallelklassen
aus.
Sicherlich gibt es weitere Gründe für die sinkenden Anmeldezahlen
und die hohe Attraktivität anderer Schulen. Aber ...
Normalerweise stärkt
ein solche intensives Projekt die Klassengemeinschaft mit Schülern,
Lehrkräften und Eltern. Die Situation in der engagierten Stammgruppe
nach der Kritik durch Hans Asbeck ist nicht einfach. In der benachbarten
Martinskirche, mit der seit Jahren eine gute Zusammenarbeit stattfindet,
war eigentlich vor der Veröffentlichung eine Aufführung geplant.
Doch die Kraft und Lust in der Klassengemeinschaft an weiteren Proben
und weiteren Auftritten ist wohl nicht mehr vorhanden.
Es wird sogar angezweifelt, ob weitere Projekte möglich sind. Die
Stammlehrer sind zum Teil enttäuscht über die mangelnde Solidarität
mit ihnen und erschrocken über die Unterstützung von Hans
Asbeck durch einige ihrer Eltern.
Normalerweise geht
die Klassengemeinschaft nach einem solch erfolgreichen Projekt gemeinsam
und geschlossen das nächste Projekt an. Normalerweise ...
Eine Äußerung
einer Ex-Lehrkraft brachte die Situation in ein neues Licht. Unkollegiale
Konflikte durch Hans Asbeck hatte es schon früher gegeben. Schon
vor zehn Jahren hatte es Schreiben von Hans Asbeck gegeben, hatte es
die Aufforderung durch den Personalrat gegeben, sich zu entschuldigen,
hatte es eine Abmahnung durch die Bezirksregierung gegeben. [Anm.
HA: Hierzu könnte ich viel sagen und vorlegen, möchte mich
auf dieses Niveau - "Schon
vor zehn Jahren" - aber nicht begeben; vgl. auch das unten
zu dieser anonymen Äußerung Beigebrachte.]
Entscheidend für
den nächsten Schritt im Konflikt war nun erneut ein Schreiben von
Hans Asbeck, 26 Seiten stark. Wie der Personalrat urteilt: mit "durchaus
diffamierenden" Äußerungen über Kollegen. Nun sah
sich auch der Personalrat zum Eingreifen verpflichtet. Endlich . .
Der Personalrat
der IGS Linden schrieb u.a.: "Der Personalrat der IGS Linden bittet
dich eindringlich, dich von diesem Schreiben zu distanzieren, es vollständig
zurückzunehmen und dich bei den namentlich genannten Kolleginnen
und Kollegen für die Art des Vorgehens zu entschuldigen."
Hans Asbeck wandte
sich nun selber an die Bezirksregierung, mit der Bitte, ihn an die IGS
Langenhagen zu versetzen.
Nun gilt es, inhaltlich
weiter zu arbeiten. In der Sek II können zum Thema "Brundibár"
Studienarbeiten geschrieben werden.
Es gilt aber auch,
Zivilcourage zu entwickeln. Lehrkräfte müssen sich miteinander
solidarisieren und entschiedener gegen Mobbing durch ihresgleichen vorgehen.
Und mehr Offenheit.
Schülerinnen und Schüler, Eltern wurden instrumentalisiert.
Man hätte ihnen sagen müssen, welche Erfahrungen mit Hans
Asbeck vorlagen.
Ich weiß nicht und kann schon gar nicht nachweisen,
in welcher Weise dieses Schreiben von der Schulleitung initiiert oder
mitinitiiert wurde. Unverkennbar aber enthält es Informationen, Hinweise
und Sichtweisen, die nur von dort stammen können. (So stammt die
anonyme "Äußerung einer Ex-Lehrkraft", s.o., von
einer einem Mitglied der Schulleitung besonders nahe stehenden Person,
die sich immer wieder aus dem Hinterhalt in die Belange der Schule einmischt).
Doch selbst wenn solches nicht der Fall wäre, käme die Schulleitung
aus einer Mitverantwortung für dieses in übler Weise personalisierende
und mich in meiner Ehre kränkende Schreiben nicht heraus: wie mir
zufällig bekannt wird und nachgewiesen werden kann, ist dieser Text
schon am 22. 4. 02 dem Schulleiter und weiteren Mitgliedern der Schulleitung
sowie etlichen Funktionsträgern und weiteren Kolleginnen und Kollegen,
darunter auch mehreren "Brundibár"-Beteiligten, persönlich
zugegangen. Die Schulleitung hätte ihre Fürsorgepflicht wahrnehmen
und mich vor den unsachlichen, meine persönliche Integrität
antastenden Passagen schützen müssen. Statt dessen hat sie -
zumindest, aber das ist schlimm genug! - billigend in Kauf genommen, was
hier mit mir geschah. Dass sie leicht und mit Erfolg hätte einschreiten
können, versteht sich von selbst und wird dadurch bestätigt,
dass am folgenden Wochenende ein Anruf von mir genügt: noch während
des Telefonats nimmt der Verfasser, der es gut gemeint, aber vieles nicht
durchschaut oder auch nicht richtig verstanden hatte, den Text aus der
Homepage heraus.
Dem Schreiben angehängt ist das im Haupttext (s.o.)
zitierte "Schreiben des Personalrats", in dem mir wegen des
("vertraulich" gedachten, aber verratenen: s.o.) Tagebuchs schwere
Vorwürfe gemacht werden. Allerdings handelt es sich nicht um ein
Schreiben "des" Personalrats, sondern um das offene Schreiben
eines einzelnen Mitglieds, von dem alle übrigen Angehörigen
des Personalrats sich gesprächsweise, aber leider nicht öffentlich
distanziert haben, wie politische Kultur es erfordert hätte.
Das Verhalten des Personalrats wollte ich hier nicht öffentlich
zur Sprache bringen. Da solches aber nun von anderer Seite geschehen ist,
folgende Klarstellung: Der Personalrat wurde von Anfang an stark unter
Druck gesetzt, sich zum Anwalt meiner Gegner zu machen. An ihn gerichtete
Beschwerden landeten gleichzeitig auf den Tischen von Schulleitung und
dann Bezirksregierung. Der Personalrat hat das nie akzeptiert und sich
nach wenigen Tagen eindeutig auf meine Seite gestellt - leider ohne das
in der Schulöffentlichkeit, wo mit Erfolg starke Stimmung gegen mich
gemacht wurde, couragiert deutlich zu machen. Einen Tag vor dem Alleingang,
der dann im Internet publiziert wird, liegt dann aber doch folgendes Schreiben
in den Fächern, das schulelternrat.de nicht gepasst hat: die
Stellungnahme des Personalrats zum Konflikt um die Oper
"Brundibár"
Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass Konflikte
zunächst dort, wo sie entstanden sind, nämlich in der Schule,
im Gespräch mit allen Beteiligten bearbeitet werden sollten. Ziel
muss es sein, einen fairen und sachbezogenen Umgang miteinander zu erreichen.
Das besagt unsere Konfliktregelung und dafür hat sich der Personalrat
auch in diesem Konflikt engagiert eingesetzt.
Konflikte können nicht geregelt werden, indem eine
Person von der Schule entfernt wird!
Der Personalrat kritisiert die Art und Weise, wie Hans
Asbeck seine Ansicht zum Inhalt der Oper "Brundibár"
in die schulische Diskussion eingebracht hat. Im Vorfeld wäre es
sicher besser gewesen Gespräche mit den verantwortlichen Personen
zu führen.
Wir haben Verständnis dafür, dass diese Interpretation
der Oper als ein Angriff auf alle Initiatoren und Akteure der Oper verstanden
werden kann. Wir verstehen, dass sich [Namen der am Projekt beteiligten
Kolleginnen und Kollegen] durch diese Interpretation verletzt und beleidigt
fühlen.
Wir sehen auch die Position Hans Asbecks, dem an einer
Diskussion des Inhalts gelegen war und der unbedachte Vorgehensweisen
und Formulierungen seines Papiers insoweit bedauert, als sie als persönlicher
Angriff verstanden wurden.
Unser Bemühen war bisher besonders darauf gerichtet,
Spannungen abzubauen und dahingehend zu wirken, die in diesem Konflikt
beteiligten Personen zum Gespräch aufzufordern.
Wir sind der Meinung, dass in einer Schule, die sich
Konfliktregelung und Streitschlichtung auf die Fahnen schreibt, alle
Beteiligten bemüht sein sollten, ihre Verletzungen zu überwinden,
Souveränität zu zeigen und aufeinander zuzugehen.
Die inhaltliche Diskussion der Oper sollte gerade in
unserer Schule erfolgen.
Für den Personalrat
[Unterschrift]
Auf der Rückseite ist die für die Schule gültige
Konfliktregelung abgedruckt:
Vereinbarung
zur Konfliktregelung an der IGS Hannover-Linden
Zur Ergänzung und Präzisierung des Gesakobeschlusses
vom 18.11.1975 zur Konfliktregelung an der IGS Hannover-Linden vereinbaren
Personalrat und Schulleitung:
----------------------------------------------------------------------------------
Bei vermuteten Dienstpflichtverletzungen und bei Konflikten zwischen
Schulleitung und KollegInnen,
bei Konflikten zwischen KollegInnen, die der Schulleitung zur Lösung
vorgetragen werden, wird folgendermaßen verfahren:
1. Die Schulleitung/der Schulleiter führt ein Gespräch
mit den Betroffenen.
Dieses Gespräch wird dienstlich nicht protokolliert. Der Personalrat
wird über den Konflikt und das Gespräch informiert, soweit
die Betroffenen nicht ausdrücklich Einwände dagegen erheben.
Bei vermuteten Dienstpflichtverletzungen erfolgt in jedem Fall die Information
an den Personalrat.
---------------------------------------------------------------------------------
Das Verfahren geht auf den folgenden Stufen weiter, wenn der Konflikt
nicht auf der jeweiligen Stufe gelöst werden kann:
---------------------------------------------------------------------------------
2. Schulleitung/der Schulleiter und Personalrat führen ein gemeinsames
Gespräch über den Konflikt.
3. Schulleitung/der Schulleiter und der Personalrat
führen ein gemeinsames Gespräch mit den Betroffenen.
4. Schulleitung/der Schulleiter beraten gemeinsam mit
dem Lehrerpersonalrat über die weitere Behandlung des Konflikts.
5. Die Schulleitung entscheidet über das weitere
Vorgehen in diesem Konflikt.
Hannover, 23. 10. 92
f. d. Lehrerpersonalrat
[Unterschrift]
f. d. Schulleitung
[Unterschrift]
Mai - Juni 2002: die letzten Wochen des Schuljahres
Meine Leistungskursschüler bestehen ihr Abitur mit
guten Erfolgen. Vor den Osterferien hatte ich sie noch alle bei mir, um
ihnen letzte Hilfen für die Vorbereitung ihrer Prüfungen zu
geben. Nun reißen die Kontakte rapide ab: das Meinungsmonopol der
andern und die meinungsbildende Macht der Tatsachen (ich bin weg und durch
Schweigegebote annulliert, ich bin durch die Schmähung des Hausverbots
wie ein Kinderschänder gebrandmarkt) zeigen Wirkung. Eine Schülerin
schimpft über mich, weil ich ihr Abitur gefährdet hätte:
man hat sie darauf angesprochen, dass in meinem verratenen Tagebuch der
Name ihrer Mutter auftaucht. Als ich einer meiner besten, couragiertesten
und treuesten Schülerinnen später klage, dass ich mich im Stich
gelassen gefühlt hätte, kommt zu meiner Bestürzung die
Erwiderung, genau das hätten sie, meine Schülerinnen und Schüler,
mir gegenüber empfunden. Jedenfalls kommen sie nicht einmal mehr,
wie versprochen, alle zusammen nach der Abiturfeier zu mir. Immerhin erfahre
ich, dass eine Schülerrede hätte gehalten werden sollen, die
auf meinen "Fall" und die mit ihm für die Abiturienten
verbundenen Erfahrungen einging, und dass diese Rede verboten worden sei.
Die Eltern der aufführenden Klasse 6c sind der Sache
überdrüssig. Kein Denken mehr an ein Podium, auch nicht an den
zeitweise voller Elan verfolgten Plan, auf kommunaler Ebene eine politische
Protestveranstaltung ins Werk zu setzen. Der Theaterpädagoge führt
wieder das große Wort, andere fassen sich an den Kopf - Katerstimmung.
Mein Sohn bringt das neue Jahrbuch der IGS Linden mit
(eine Institution der Schule, die ich mitbegründet und zu der ich
manches beigetragen habe). Es enthält eine ausgiebige Jubelberichterstattung
zum "Brundibár"-Projekt und nicht den Hauch eines Hinweises
auf irgendwelche Irritationen. So wird man totgeschwiegen.
"Selbstverständlich" gehöre ich nicht
zu denen, die am Ende des Schuljahres in der dafür vorgesehenen Feierstunde
verabschiedet werden. Es steht mir nicht zu, so etwas zu denken, aber
es unterläuft mir: so einfach "weg", sang- und klanglos,
sind in Deutschland früher andere gewesen. Das tröstet nicht,
es beschämt, aber treibt auch an, nicht locker zu lassen, diese Sache
durchzukämpfen, was sie auch koste. In Langenhagen darf ich zuhören,
wie der Dezernent, der mein Verschwinden von der alten Schule und das
Hausverbot zu verantworten hat, bei der Verabschiedung verdienter Pensionäre
schöne, würdige, menschlich anrührende Worte findet.
Sommerferien
Ich verschicke den inzwischen fertig gestellten Essay
"Die Kinderoper Brundibár gehört ins Museum und nicht
auf die Bühne" ("Essay" anklicken) an die namhaften
überregionalen Tages- und Wochenzeitungen. Das Anschreiben:
[...]
In der Anlage übersende ich Ihnen Material zu einem komplexen und
"sensiblen" Vorgang, in dem sich gleich mehrere Skandale ineinander
verschlingen, der aber, wenn auch journalistisch nicht leicht in den
Griff zu bekommen, dringend der öffentlichen Diskussion bedarf
- und zwar auf einem gewissen Niveau und jenseits aller Sensationsmache:
1. Die als Dokument der KZ-Kultur weltbekannte Kinderoper "Brundibár",
allenthalben und immer wieder ohne jeden Anflug von Distanz - meist
von Kindern, meist für ein auch kindliches Publikum! - aufgeführtes
Lieblingsstück des internationalen Gedenkwesens, erweist sich bei
genauerem Hinschauen als dem völkischen Zeitgeist der dreißiger
Jahre verhaftetes, heutigen Verhaltens- und Erziehungsgrundsätzen
Hohn sprechendes Machwerk. Nicht Solidarität der Unterdrückten
und Widerstand sind ihr Thema, sondern Meuteverhalten und Eliminierung
eines Ausgegrenzten (vgl. auch Sebastian Haffner über "Kameradschaft"
im jüngst publizierten Text). Sie ist denn auch nicht in Theresienstadt
entstanden, sondern bereits 1938 in Prag, verfasst von Volksdeutschen,
die sich nicht als Juden verstanden, sondern erst von den ein Jahr später
einmarschierenden Nazis zu solchen gestempelt wurden.
2. Blinde Flecken und Tabus, aber auch handfeste Interessen
und Meinungszwänge verstellen den kritischen Blick, der zu einer
Revision der ausnahmslos affirmativen Aufführungspraxis führen
müsste.
3. Der Versuch, eine besonders öffentlichkeitswirksame
Aufführung - in Hannovers Marktkirche, Schirmherrschaft von Bischöfin
und Ministerpräsident - zur Diskussion zu stellen, scheiterte schon
auf der Ebene interner Schulöffentlichkeit und endete mit Mobbing
und Entfernung des betreffenden Lehrers sowie massiver Meinungsunterdrückung,
insbesondere auch Schüler betreffend, die eine verheerende Ohnmachtserfahrung
machen mussten. Dabei liegt, verblüffenderweise, was dem einmal
gewagten kritischen Blick - manchmal durchaus schon dem unvoreingenommenen
Kinderblick - sich zeigt, offen zu Tage, es ist "mit Händen
zu greifen".
4. Energisch unternommene Versuche, außerhalb
der Institution Schule Gehör zu finden und zum Diskurs zu gelangen,
führte zwar zu einer abgewogenen Darstellung in der lokalen Presse,
stießen jedoch bei Kirche wie Schulbehörde, Kultusbürokratie
und Landesregierung... auf eine geschlossene Front. Es gibt zwar auf
kommunalpolitischer und gewerkschaftlicher Ebene Pläne für
eine wissenschaftlich fundierte Podiumsveranstaltung, ferner ist eine
Petition an den Niedersächsischen Landtag anhängig (in der
Anlage), und auf die Dauer wird auch die Einschaltung der internationalen
Fachdiskussion Wirkung zeigen, zunächst einmal scheint der Kampf
aber verloren zu sein: zwar lehnten die Eltern der aufführenden
Kinder weitere Aufführungen ab, mit den gutgemeinten Opernaufführungen,
oft im Rahmen aufwändiger Gedenkfeiern, geht es aber im ganzen
Land und international ungestört weiter, und das Meinungskartell
hält.
Wie Sie sehen, sind viele Bereiche - Kultur, Geschichte,
Schule und Erziehung, Politik... - in schwer gegeneinander abzuwägender
Weise angesprochen, andererseits fehlt bei aller in die Augen springender
Aktualität der sich aufdrängende akute - überregionale
- Publikationsanlass - bzw. die sich anbietenden Anlässe (Karsli,
Walser) sind die falschen. Ihr Interesse vorausgesetzt, würde ich
mich gerne mit Ihnen darüber beraten, wie weiter vorgegangen werden
kann.
Was ich Ihnen anbieten kann, ist folgendes:
Zur Publikation nach noch zu treffenden Vereinbarungen:
meinen Essay "Die Kinderoper 'Brundibár'
gehört ins Museum und nicht auf die Bühne", eine kritische
Analyse des Operntextes und der Opernrezeption, erwachsen aus der den
Skandal auslösenden Streitschrift (s.u.). [...]
Material zu Ihrer Information und Meinungsbildung bzw.
zur journalistischen Auswertung:
[...]
Mit freundlichen Grüßen
Ich bekomme keine Antwort. Kenner der Szene haben es vorausgesagt.
Beziehungen zu nutzen oder nachzufassen bin ich zu stolz.
Ein Kollege schickt wohltuende Feriengrüße:
[...] Mit diesen Zeilen möchte ich Dir wenigstens
signalisieren, dass ich an Dich denke. Und keineswegs möchte ich,
dass mit dem Beginn des neuen Schuljahres in Langenhagen unsere Kontakte
enden. Gleichzeitig danke ich Dir für das Vertrauen, das ich in
Dir ausgelöst haben mag und das mich anrührte. Vor mir sehe
ich Dich in Deiner ganzen Ratlosigkeit, die umso größer sein
wird, als Du mit letzter Energie um die Wahrung Deiner intellektuellen
Ehre gekämpft hast. Am Ende gab es nur Verlierer. [...]
Neues Schuljahr
Nach den doch sehr unbefriedigenden Monaten, in denen
ich in Langenhagen einen weitgehend überflüssigen Aushilfs-
und Verlegenheitsdienst getan habe - eine ziemliche Verschwendung der
Ressourcen Lehrerqualifikation und Lehrerkraft - endlich wieder regulärer
Unterricht, der meine Fähigkeiten fordert: zwei Prüfungskurse
Deutsch im Abiturjahrgang, Leistungskurs Geschichte mit aufwändigem
Austauschprogramm (Polen), Prüfungskurs Geschichte. Das bedeutet
nicht nur zählbare Überstunden, sondern vor allem einen über-intensiven
"Netto-Unterrichtseinsatz". Mir liegt das in gewisser Weise,
die Leidtragenden sind meine Kinder, die ich nicht wie bisher morgens
versorgen und mittags bekochen kann. Auch sind die Mittel spürbar
knapper geworden; Verwahrlosungserscheinungen im Männerhaushalt;
Krisen, die mich zeitweise befürchten lassen, dass die Restfamilie
jetzt auseinander bricht. Ich suche und finde professionelle Hilfe.
Die schwebende Landtagspetition betreffend erreicht mit
alle paar Wochen die Mitteilung meines Anwalts, dass noch "ermittelt"
werde.
19. September 2002
Plötzlich überstürzen sich die Ereignisse:
Ein besorgt anteilnehmender Bekannter hat erfahren, dass morgen der für
meine Sache zuständige Kultusausschuss des Landtags zusammentritt
und eine Stellungnahme des Kultusministeriums vorliegt (links anklicken),
die mich in einem sehr ungünstigen Licht erscheinen lasse. Ich besorge
mir diese Stellungnahme per Fax und bin entsetzt von der Skrupellosigkeit,
mit der hier ein die Obrigkeit bedienender Jurist die Dinge so hinbiegt,
teilweise manifest verfälscht (ich soll mal wieder unschuldige Kinder
agitiert und mit meiner Schrift hausieren gegangen sein usw.: "Zur
Stellungnahme" anklicken), dass Schulleitung und Behörde reingewaschen
werden, ich aber als verantwortungsloser Bösewicht dastehe, der schon
immer Unfrieden stiftete (also selbst auf dieser Ebene Fortsetzung des
Rufmords: unglaublich, der Kultusminister ist mein Dienstherr, er hat
eine Fürsorgepflicht!).
Über Nacht schreibe ich eine Gegendarstellung, die
ein freundlicher Nachbar in der Morgenfrühe bei mir abholt und mit
in den Landtag nimmt. Mittags erfahre ich dann, dass mein Tagesordnungspunkt
gar nicht behandelt werden konnte, da der Berichterstatter fehlte. Ich
erfahre aber noch mehr:
Für die Grünen sitzt in diesem Ausschuss die
Abgeordnete Brigitte Litfin, die mir als sehr aufgeschlossen, klug und
couragiert geschildert wird: ein Hoffnungsschimmer.
Zwiespältig dagegen, was ich über den Berichterstatter, dem
zweifellos eine Schlüsselstellung zukommt, erfahre: es ist der SPD-Abgeordnete
Walter Meinhold. Einerseits hat Meinhold in meinen Kreisen einen sehr
guten Ruf als gestandener Vertreter des linken Parteiflügels, bürgernaher
Politiker und vernünftiger Mann, "mit dem man reden kann",
andererseits schrillen die Alarmglocken: er ist Vorsitzender der SPD Hannover
und ehemaliger Lehrer bzw. Schulleiter. Das bedeutet, dass er direkte
Drähte zu meinen Gegnern hat, die alle ebenfalls in der SPD und teilweise
zu den engeren Parteifreunden zu zählen sind. Parteichef von Hannover
wollte auch mein Dezernent mal werden - also der bekannte Genossenfilz!?
Ist meine Petition beim Bock statt beim Gärtner gelandet?
Ende September 02
Ich rufe MdL Meinhold unter seiner Privatnummer, die im
Telefonbuch steht, einfach an und das funktioniert auch. Er zeigt sich
interessiert, nimmt die Sache ernst und schlägt ein persönliches
Treffen vor, worauf ich natürlich eingehe. Meine Befürchtungen
treten gegenüber positiven Erwartungen zurück: das läuft
gut!
Meine Gegendarstellung gefällt mir nach wenigen Tagen
überhaupt nicht mehr. Das Kultusministerium schiebt Dinge in den
Vordergrund, um die es zentral gar nicht geht: meine angeblichen Verfehlungen.
Jetzt erst durchschaue ich, dass man sich offenbar in der Defensive weiß:
Die Ernsthaftigkeit und Diskussionsbedürftigkeit meines umstrittenen
Beitrags wird jetzt ausdrücklich anerkannt und es ist keine Rede
mehr von dem Vorwurf, der bei der Behörde noch der alles entscheidende
war: ich hätte vor dem Ingangsetzen einer brisanten schulöffentlichen
Diskussion den Schulleiter fragen müssen. Jetzt wird von mir genau
das verlangt, was ich auch getan habe: "vorab in einer Diskussion
innerhalb des Lehrerkollegiums Gelegenheit zu einer Stellungnahme und
der Absprache eines möglichst schonenden Umgangs mit dem brisanten
Vorwurf" zu geben bzw. meinem "Vorgesetzten und dem Kollegium
[meine] Auffassung bezüglich der Kinderoper zu erläutern"!
Meine Verfehlung kann jetzt nur noch in Dingen bestehen, die es gar nicht
bzw. nur gerüchtweise "gibt" und die in Wahrheit längst
vom Tisch sind. Mit anderen Worten: Die Verletzung der Meinungsfreiheit
wird eingestanden, bloß hätte ich sie mir durch mein Aufhetzen
von Eltern und Kindern selber zugezogen! Eine freche Lüge geradezu:
"einer rechtzeitigen inhaltlichen Auseinandersetzung hätte sich
die Schule gestellt"! Zum Glück verfüge ich über den
Beschwerdebrief des Schulleiters, der das eindeutig widerlegt, den aber
auch mein Anwalt schon der Petition beigelegt hat, den also dieser nicht
von Skrupeln geplagte Ministerialjurist kennt und mir nichts, dir nichts
ignoriert! Nicht zu glauben eigentlich. Vor allem aber habe ich das Wichtigste
noch nicht deutlich gemacht: Dass die Vorwürfe, die man mir macht,
gar nicht der Punkt sind, dass also ein Ablenkungsmanöver stattfindet:
Davon, dass unbeschadet aller Fehler, die ich gemacht haben könnte,
unbeschadet auch des angeblich gestörten "Schulfriedens"
DIE ERFORDERLICHE DISKUSSION SELBSTVERSTÄNDLICH MÖGLICH GEWESEN
WÄRE - HÄTTE MAN SIE DENN GEWOLLT!
4. 10. 02
Ich schreibe einen "Nachtrag" zu meiner Stellungnahme und schicke
ihn MdL Meinhold mit der Bitte, beides an die übrigen Ausschussmitglieder
weiterzuleiten (alles unter "Landtagseingabe", links anklicken).
Ich warte wochenlang vergebens auf das vereinbarte Treffen,
lasse mich von Meinholds Büro mit dem Hinweis auf Terminschwierigkeiten...
vertrösten. Immerhin wird dieses Treffen so wichtig genommen, dass
sowohl im Oktober als auch im November meine Petition von der Tagesordnung
genommen wird. Oder ist das Verschleppungstaktik?
20. 11. 02
Endlich ist es soweit: in der Lobby des Landtags sitze ich Meinhold und
Litfin gegenüber.
In dem Bedürfnis zu unterstreichen, dass meine Sache
Aufmerksamkeit verdient, hebe ich gleich zu Anfang meine persönliche
Betroffenheit hervor, die in der Demütigung durch das mir erteilte
Hausverbot an meiner und meines Sohnes Schule besonders nachvollziehbar
wird: "als ob ich mich an Schülerinnen vergangen hätte".
Sofort sind wir uns einig: das gerade hat auch Liftin empört, die
ergänzend meint, leider würden Lehrer, die so was machen, gerade
nicht entfernt, sondern von ihren Schulleitern bis zum Gehtnichtmehr gedeckt.
Meinhold betont die völlige Überzogenheit dieser Maßnahme,
dieses "ganz großen Hammers", mit dem da völlig unangemessen
gewütet worden sei, um Unliebsames zu ersticken.
Dann sprechen wir über "Brundibár".
Meinhold brilliert mit einer für einen Laien bemerkenswert kompetenten
und treffsicheren Interpretation: er setzt, was einen entscheidenden Aspekt
betont, bei den die Aufführungen im KZ fördernden, ja anordnenden
Nazis an und versteht die Oper als ein Beispiel besonderer Demütigung:
die Opfer selbst Täter spielen zu lassen, die Verfolger ihresgleichen!
Er hat mich genau verstanden und meinen Ansatz noch einmal zugespitzt.
Zweifellos, trotz aller Einseitigkeit (dagegen müsste man die naive
Position von Frau Wettberg setzen - vgl. oben unterm 4. 3. 02 - und natürlich
das von den Zeitzeugen Überlieferte stellen, und natürlich den
Versuch meines Essays, Krása zu verstehen): so kann man es sehen,
so muss man es auch sehen. Da er die Aufführung in der Marktkirche
nicht kennt, ist sein Anliegen herauszufinden, ob nicht vielleicht diese
Sicht auch transportiert wurde: schaut her, wie es den Nazis gelang ihre
Opfer selber zum Beklatschen inhumaner Menschenjagd zu verleiten. Nein,
so war es leider nicht. Mit Hilfe von Frau Litfin, die ebenfalls sehr
gut im Bilde ist und meine Argumente nachvollzogen hat, gelingt es, ihm
klar zu machen, dass das, was er sich wünscht, genau dem entspricht,
was ich mit "gehört ins Museum" gemeint habe (vgl. oben
unterm 26. / 27. 1 und, links anklicken: "Brundibár aufführen?").
Wir sind uns aber einig darin, dass es hier gar nicht
darum geht, wer am Ende Recht hat. Meine Position ist offenbar eine ernst
zu nehmende, wichtige, unbedingt zu diskutierende gewesen, und es ist
ein Skandal, dass diese Diskussion verhindert werden konnte.
Doch jetzt nimmt das Gespräch eine kritische, für
mich peinliche Wendung. Meinhold will nämlich wissen, was konkret
ich denn überhaupt noch wolle, wenn nicht meine Zurückversetzung
nach Linden? Hier gerate ich ins Schwimmen, denn einerseits bin ich zutiefst
darüber empört, dass ich nach meiner Verbannung das Wort in
der Schule, vor Kollegen und Schülern, nicht mehr ergreifen durfte,
während andere meinen Ruf zerstörten, auch darüber, dass
ich "einfach weg" war, wie ein Unhold, ein Schädling, den
man einfach froh ist los zu sein, ich weiß mich beleidigt und gedemütigt
- aber andererseits: will ich das wirklich: eine nachgeholte Verabschiedung
in der Gesamtkonferenz, zu der ich Gert Wille bitte die Rede zu halten,
in der ich selber das Wort zur Abrechnung ergreife, von den fälligen
Entschuldigungen gar nicht zu reden? An dieser Schule, vor diesen Leuten,
von denen allzu viele sich wie in einer Meute verhalten haben? Kurzum,
ich "eiere" wohl ziemlich "herum" und gebe Meinhold
Gelegenheit sein Vorhaben auszupacken, das mich nach der zuvor erzielten
Einigkeit völlig verblüfft: er will meine Petition abbügeln.
Er zeigt mir ein Formular, auf dem aufgeführt ist,
im Rahmen welcher vorgegebener Formulierungen der Landtag plädieren
kann. Ich kenne es und erwarte natürlich:
1. Die Eingabe wird der Landesregierung zur Berücksichtigung
überwiesen:
[Erläuterung:] Dadurch wird die Landesregierung
ersucht, im Rahmen des geltenden Rechts dem Wunsch des/der Einsenders/Einsenderin
zu entsprechen oder seiner/ihrer Beschwerde abzuhelfen. Dies ist die
weitestgehende Form der positiven Erledigung einer Eingabe durch das
Parlament. Sie hat zur Voraussetzung, dass der Landtag das Anliegen
des Einsenders als gerechtfertigt bzw. die Beschwerde als berechtigt
ansieht. Die Landesregierung teilt dem Landtag mit, ob und ggf. in welcher
Weise sie dem Ersuchen nachkommt.
Meinhold hat dagegen vorgesehen:
5. Die Eingabe wird für erledigt erklärt:
Dieser Beschluss wird vorgeschlagen, wenn dem Wunsch
des/der Einsenders/Einsenderin inzwischen entsprochen oder seiner/ihrer
Beschwerde abgeholfen worden ist. [...]
Schließlich fühlte ich mich ja wohl in Langenhagen,
hätte keine fassbaren Ansprüche mehr, und in der Schule sei
auch Ruhe eingekehrt. Ich muss wohl ein ziemlich dummes Gesicht machen,
auch Frau Litfin ist sichtlich ungehalten. Aber Meinhold hat weitere Pläne,
die er im Zusammenspiel mit Frau Litfin verfolgen will und die mich zufrieden
stellen sollen:
Erstens will er das Kultusministerium dazu bringen, seine
Stellungnahme zu meinen Gunsten zu ändern (wobei er diese Stellungnahme
so schlimm wie ich nicht findet), also einen Deal mit ihm machen, eine
Art Vergleich im Vorfeld (so lege ich es mir jedenfalls zurecht): Der
Landtag wäre bereit, euch ungeschoren davonkommen zu lassen, wenn
ihr eure Darstellung und Bewertung der Sache zugunsten dieses Petenten
ändert.
Zweitens will er die Sache im Kultusausschuss ausführlich
zur Sprache bringen, aber, wie er sagt, "ein paar Etagen höher
hängen", nämlich im Kontext der Schulreform als Musterbeispiel
dafür präsentieren, wie künftige, aus der Behördenaufsicht
entlassene, "selbstständige" Schulleitungen sich gerade
nicht verhalten sollen oder (eigentlich wäre das der schlauere Gedanke,
ich weiß aber nicht, ob er es wirklich so meint) verhalten werden
(weil sie dann nicht mehr so subaltern und statt der Obrigkeit einem gesellschaftsoffenen
Aufsichtsrat verantwortlich wären? Das hätte was!).
Ich bin nicht unbeeindruckt. Auch wenn mir persönlich
das nicht so recht nützte (ich habe diese höheren Beamten inzwischen
zu gut kennen gelernt, um ihnen eine Kehrtwendung aus halbwegs freien
Stücken zuzutrauen): so bekäme alles noch irgendwie einen Sinn.
So drücke ich mich auch aus, bestehe aber doch darauf, dass auch
mir Gerechtigkeit widerfährt. Wenn wir uns einig sind, dass Unrecht
geschehen ist, dass die Meinungsfreiheit unterdrückt wurde, dass
insbesondere auch Schüler in ihrem Vertrauen in die politische Kultur
enttäuscht wurden, und zwar in der Schule und vor dem Abitur, dann
muss ich Genugtuung erfahren, Leute müssen sich entschuldigen, und
das muss öffentlich geschehen.
Doch hier geht Meinhold wieder auf Distanz. Ich hätte
ja so recht! Aber leider könne ich es nicht lassen, immer so inhaltlich
zu argumentieren, die Behörde bzw. das Ministerium klammerten sich
dagegen ans Formale, und so müsse er es in der Auseinandersetzung
mit diesen leider auch machen. Ich hätte nun mal, so wolle er sich
ausdrücken, die "Ordnungswidrigkeit" begangen, den Schulleiter
nicht zu fragen, ob ich meinen Text in die Fächer legen und schulöffentlich
aushängen dürfe. Mein Anwalt habe recht: ich hätte diesen
Text in die Zeitung setzen können - aber daraus folge eben nicht
die Berechtigung, Schulöffentlichkeit herzustellen: das sei nun mal
Privileg des Schulleiters. Er selbst sei Schulleiter gewesen und hätte
als solcher meine "Ordnungswidrigkeit" zweifellos geschluckt:
das halte er auch für richtig, aber so müsse man es eben nicht
machen. Ministerium und Behörde könnten sich auch auf den Standpunkt
stellen...
Ich halte dagegen, weiß ich doch aus von früheren
Anlässen, dass es ein solches Fächer- und Aushangsprivileg nicht
gibt, auch Frau Litfin weiß, dass "wildes" Aushängen
an Schulen gang und gäbe ist. Außerdem hat sich nicht einmal
die Behörde auf einen so formalistischen Standpunkt gestellt.
Und natürlich werde ich wieder "inhaltlich"
und argumentiere erneut mit den bei Schülern angerichteten Schäden.
In diesem Zusammenhang erwähne ich etwas, was die Haltung Meinholds
noch einmal völlig kippen lässt: die mit 230 Unterschriften
versehene Petition der Schülerinnen und Schüler. Meinhold weiß
nichts von ihr (sie war ans Kultusministerium gerichtet, ist also von
den cleveren Juristen dort dem Parlament unterschlagen worden - da ist
der Abgeordnete sauer!) und ist bis jetzt davon ausgegangen, dass ich
alle gegen mich gehabt hätte.
Ich kann nachlegen: auch "die Kollegen" waren nicht einfach
gegen mich. Gewiss, es gab zeitweise eine Art Pogromstimmung gegen den
Nestbeschmutzer, aber große und vor allem wichtige Teile des Kollegiums
(bewusste, unangepasste, informierte Kolleginnen und Kollegen) waren auf
meiner Seite: der Personalrat, die GEW-Gruppe... . Ich habe die Dokumente,
die das belegen, und die will Meinhold ebenfalls unbedingt haben.
Ich nutze die Gelegenheit, die Falschmeldung von den 40
(!!!) Kolleginnen und Kollegen, die sich angeblich von der Schule wegmelden
wollten, wenn ich bliebe, zu korrigieren: sie stammt von der Protokollantin
des Dienstgesprächs in der Bezirksregierung, wurde sofort zurückgenommen
und ist ohne mein Wissen in den Petitionstext meines Anwalts gelangt.
Meinhold freilich hatte das sowieso nicht geglaubt.
Bevor er weg muss, macht Meinhold noch klar, dass der
Ausschuss so stimmen wird, wie er das vorschlägt, und dass die Sache
dann so auch durchs Plenum gehen wird. Litfin sieht das anders. Sie favorisiert
ein "strittiges" Ausschussergebnis und die sich daraus ergebende
offene Debatte im Parlament. Das gefällt auch mir besser - schon
wegen der damit erzielten Öffentlichkeit. Litfin kündigt Kontakte
zu Journalisten an, für die das Ganze ein gefundenes Fressen sein
wird.
Überhaupt ist das Ganze für sie eine Herzensangelegenheit,
was mir sehr gut tut. In bester linker Tradition regt sie sich über
die obrikeitlich denkenden Beamten auf, für die "Provokation"
von vornherein etwas Böses ist: dabei stecke doch das "Pro"
in diesem Wort, der Provozierende sei doch einer, der leidenschaftlich
für etwas, der positiv eingestellt sei.
24. 11. 02
Ich schicke an Meinhold und Litfin:
- die Schülerpetition,
- die GEW-Erklärung,
- die Stellungnahme des Personalrats mit der auf der Rückseite abgedruckten
"Konfliktregelung" der IGS Linden,
- den Brief einer Schülermutter vom 6. 2. 02 (alles unter "Schützenhilfe":
links anklicken!)
In einem ausführlichen Anschreiben verdeutliche ich meine Position
und mache klar, was ich vom Landtag, vom Kultusmininisterium, von der
Behörde, von meiner alten Schule erwarte: umfassende öffentliche
Rehabilitierung im Interesse der Sache und meiner Person: links "Landtagseingabe"
anklicken, dann auf das Datum 24. 11. 02 scrollen!
2. 12. 02
Telefongespräch mit Meinhold. Die ihm übersandten Dokumente
haben ihre Wirkung getan: gesteigerte Empörung darüber, wie
Schulleitung und Behörde mit dem Konflikt umgegangen sind, Verärgerung
über einseitige Berichterstattung des Ministeriums. Dieses müsse
seine Stellugnahme grundlegend ändern und mich zufrieden stellen.
3. 12. 02
Telefongespräch mit Litfin, die mich zu meinem Erfolg bei Meinhold
beglückwünscht und Näheres wissen lässt: den habe
besonders wütend gemacht, dass es an der Schule also eine Konfliktregelung
gebe vgl oben unterm 22. 4 - 5. 5. 03 "Stellungnahme des Personalrats"),
an die niemand sich gehalten habe (tatsächlich sind dort mehrere
Gespräche mit Schulleitung und Personalrat vorgesehen, bevor eine
Sache an die Behörde gehen darf - keines hat stattgefunden: s. o.).
Der Landtag werde meine Petition "als Material" an die Regierung
weiterleiten, also zur Berücksichtigung in künftigen Fällen:
damit hätte ich alles, was möglich sei, erreicht. Ich will noch
wissen, was genau es denn bedeute, dass das Kultusministerium seine Stellungnahme
ändern müsse. Litfin: es bedeute, dass der Schulleiter "eins
auf den Deckel" bekomme und die Schulbehörde gerügt werde.
5. 12. 02
Termin beim Anwalt, an dem schon aus Zeitgründen die Aktionen der
letzten Wochen vorbeilaufen mussten, dem ich inzwischen aber berichtet
und die Schriftstücke habe zukommen lassen. Er hätte, um den
einen entscheidenden Punkt "Meinungsfreiheit" im Zentrum zu
halten, das alles nicht so gemacht, erkennt aber gerne an, dass meine
"Rechnung" aufgegangen sei. Ich erkläre mich damit einverstanden,
dass auch er noch einmal nachlegt und aus Juristensicht auf die auch ihn
empörende Stellungnahme des Kultusministeriums antwortet:
20. 12. 02
Antwort meines Anwalts auf die Stellungnahme des Kultusministeriums: Links
"Petition an den Niedersächsischen Landtag" anklicken und
auf das entsprechende Datum scrollen!
Dezember 2002
Eine merkwürdige Erfahrung: Dass ich mit der Landtagseingabe Erfolg
haben werde, tut mir in einem Maße gut, das ich überhaupt nicht
erwartet hätte. Trotz aller Repressionen, Ängste, Niederlagen,
Verluste... ist es mir ja keineswegs schlecht ergangen, seit der "Brundibár"-Konflikt
im Gange ist - wusste ich doch immer, dass ich das machen musste und einen
guten Kampf kämpfe. Untergründig habe ich aber wohl mehr gelitten
als mir annähernd bewusst war. Jedenfalls breitet sich ein so lange
nicht gekanntes Wohl-, ja Glücksgefühl in mir aus - so als kehrte
ich heim aus einem ungeliebten Exil, einer Einsamkeit. Ich phantasiere
mir zurecht, wie mir nachträglich eine Abschiedsfeier an meiner alten
Schule gegeben wird und ich - aber im Guten - über sehr grundsätzliche
Dinge sprechen kann. Aber nein: dass es wirklich so kommen könnte,
bilde ich mir nicht ein.
Januar 2003
Ich warte in Ruhe ab. Mir wurde gesagt, dass der Landtag eine Petition
in der betreffenden Sitzungsperiode erledigen muss, und diese geht nun
in diesem Monat zu Ende.
Februar 2003
Da ich immer noch keinen Bescheid habe, rufe ich schließlich Meinhold
an, der zum Glück wiedergewählt ist (Liftin ist leider nicht
wieder angetreten) und kann es kaum fassen: er hat meine Sache noch einmal
von der Tagesordnung des Ausschusses genommen, weil die neue Stellungnahme
des Kultusministeriums noch nicht vorgelegen hat. Er sucht mich aber zu
beruhigen: die Sache sei so klar, auch über Parteigrenzen hinweg,
dass auch bei neuen Zuständigkeiten (er wird nicht mehr direkt mit
der Sache befasst sein) und veränderten Mehrheitsverhältnissen
nichts schief gehen könne. Aber bis April etwa müsse ich mich
schon gedulden.
Bezogen auf diese meine Homepage, mit der ich mich ja
zrückgehalten habe, um den Gang der Petition nicht zu stören,
wird mir das zu lang: schon steht der nächste Jahrgang von Schülern,
die eine so bittere, beschämende politische Erfahrung machen mussten,
vor dem Abitur.
Ich zerbreche mir den Kopf, welches wohl der Sachstand
im Kultusministerium sein wird. So viel sickert durch: Sie hatten die
zu meinen Gunsten veränderte Stellungnahme schon fertig, da schlug
die an den Landtagspräsidenten gerichtete Replik meines Anwalts wie
eine Bombe ein. Meinhold hatte wohl verdeckt und informell operiert, jetzt
erst kommt zu Tage, dass die ursprüngliche Stellungnahme publik geworden
war - ein unerhörter, Ratlosigkeit auslösender Vorgang!
Wie auch immer: ich verabschiede mich von der Illusion,
im Ministerium müsste es doch einen wider alle Subalternität
vernünftigen, innerlich souveränen, mit dem Blick fürs
Wesentliche ausgestatteten Menschen geben, der sich meiner und meiner
Sache schließlich annehme. Nein, sie sind defensiv, sie verteidigen
wie schon die Behörde den Obrigkeitsstaat gegen den aufmüpfigen
Ärgermacher und werden mir nur so weit entgegenkommen, wie das Parlament
es einfordert. Wäre es anders, was hätte sie abhalten sollen,
schon vor Wochen, als die Dinge nun wirklich klar waren, auf mich zuzugehen
und mit mir zu überlegen, wie der angerichtete Schaden wieder gut
zu machen sei?
Ich sehe keinen Grund mehr meine Homepage zurückzuhalten
und mache mich mit Hilfe tüchtiger Schüler an ihre Fertigstellung.
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