Gewerkschaft
Erziehung und Wissenschaft
Betriebsgruppe der IGS Linden
Erklärung vom 20. März 2002
Zur Eröffnung der Ausstellung der Kinderzeichnungen
aus Theresienstadt im Rahmen der Aufführung der Kinderoper "Brandiger"
fand Landesbischöfin Dr. Käßmann anerkennende lobende
Worte für die Verdienste der Lehrerinnen und Lehrer der IGS Linden,
die die Erinnerung an den Holocaust noch immer Gegenwart werden lassen.
Sie stellte die Initiative der beteiligten Kolleginnen und Kollegen zur
Aufführung der Oper Brindibár in die Tradition der IGS Linden.
Herr Dr. Puschmann hat in seiner Abschlussrede in der Marktkirche am Freitag,
den 22.02.02 den Stellenwert dieser Aufführung als Markstein in der
Tradition der Marktkirche gesehen: "dass diese Marktkirche das erleben
darf." Chor der Freundschaft, gesungen von den 11jährigen Schulkindern
und drei Zeitzeuginnen, die als Kinder das Erlebnis des Schrecklichen
und das Erlebnis der damaligen Aufführung von Brundibár in
Theresienstadt hatten. Dies verbunden mit der Trauer um die damaligen
Freunde und dem Erlebnis als einzige noch Zeugen dieser Aufführung
zu sein. Ihr Wunsch war, bei einer nochmaligen Aufführung sollten
alle Zuschauer zusammen mit den Kindern auf der Bühne den Schlusschor
singen: "Lied der Freundschaft" ? wahrlich ein sichtbares Zeichen
deutsch?tschechisch?jüdischer Versöhnung. Und das dargeboten
als gekonntes Spiel von den Musikstudentinnen, den Kindern, den beteiligten
Initiatoren, Kolleginnen und Kollegen der IGS Linden, die mit unendlichem
Einsatz und viel zusätzlichen Arbeitsstunden ihr Bestes gegeben haben.
Das ist der Kontext, ohne den der spätere Konflikt unverständlich
bleibt.
Ein Zuschauer, der eng zu diesem Kontext gehört, er ist Lehrer der
IGS?Linden, sieht das Geschehen auf der Bühne. Er ist tief berührt,
aber dann schockiert.
Ihm werfen sich Fragen auf.
Warum verschwören sich die Tiere und die Kinder gegen Brundibár
Wer wird in der Person des Brundibár verjagt, während das
"Marktpublikum" teilnahmslos dabeisteht, sich von Brundibár
abwendet? Ist es falsch, die Frage der Entstehung ? 1938 in Prag durch
Hans Karl Krása, einen deutschsprachigen Komponisten, als weiteres
Faktum zur Kenntnis zu nehmen?
Diese Fragen kann man stellen: in einer Doktorarbeit, in einem akademischen
Aufsatz, in einer Podiumsdiskussion. Nicht stellen darf sie Hans Asbeck,
der, auf besondere Einladung an alle Lehrer der Schule, mit seinem Leistungskurs
diese Oper sieht, zum ersten Mal in seinem Leben zur Kenntnis nimmt.
Er stellt diese Fragen
zur falschen Zeit: sofort nach der Aufführung...
am falschen Ort: in der Marktkirche...
Wann stellt ein Lehrer wem nach einem Theaterbesuch Fragen?: Im Unterricht
seinen Schülerinnen und Schülern. Konnte er ? erschrocken und
aufgeregt über die mögliche Dimension seiner Fragen ? alles
oder etwas richtig machen?
Ist sein Papier, das zutreffend als Streitschrift bezeichnet werden muss,
die richtige Art und Weise, eine Diskussion zu führen?
Hans Asbeck hat seine Streitschrift den Beteiligten an der Aufführung,
dem 6. Jahrgang und der Sekundarstufe II ins Lehrerzimmer gelegt und durch
Aushang zur Kenntnis gegeben, den Initiatoren in ihr Fach gelegt und sie
dem Schulleiter zur gleichen Zeit mit der Bitte um Unterstützung
überreicht.
Sein Vergehen:
Er hätte zuerst und nur seinen Schulleiter informieren müssen.
Statt dessen hat er "Öffentlichkeit" hergestellt!
Die einzig angemessene (?) Maßnahme: Hausverbot und Abordnung Das
ist einmalig in der durchaus nicht konfliktarmen Geschichte der IGS Linden.
(Das Kollegium der Schule erhält schriftlich eine "vertrauliche
Mitteilung". Die Angelegenheit wird zur "Personalmaßnahme"
deklariert, zum "schwebenden Verfahren", über das nicht
gesprochen werden soll. Gerüchte sind im Umlauf, es ginge um ganz
andere Sachen, die Akte sei zu dick, er habe sich schon immer mal daneben
benommen.)
Die Texte ? sowohl die Streitschrift als auch das Libretto der Kinderoper
? sind nur wenigen Kolleginnen und Kollegen bis heute bekannt. Viele schweigen
betreten. Die Initiatoren der Aufführung fühlen sich beleidigt
durch die Streitschrift, können sich eine Zusammenarbeit nicht mehr
vorstellen.
Warum diese Ausführlichkeit?
Die von Hans Asbeck geäußerte Kritik an Inhalt und Text der
Oper ist neu und beunruhigt. Sie berührt ein Tabu. Ist die Heftigkeit
der Reaktion so zu erklären? Beleidigt die geäußerte Kritik
die Initiatoren, würdigt sie ihre Arbeit und die der beteiligten
Schülerinnen und Schüler herab, verunglimpft sie gar Zeitzeugen?
Wie und von wem ist eine inhaltliche Diskussion darüber und zu der
Oper zu leisten? Wird sie gewünscht? Hat sie negative oder positive
Auswirkung auf das Image der IGS Linden? Ist die geäußerte
Kritik durch das Recht der freien Meinungsäußerung geschützt,
verletzt sie das Mäßigungsgebot des Beamten?
Wir halten die Abordnung als Reaktion auf die Verteilung der Streitschrift
für
unangemessen.
Seine Kritik ist scharf, sie ist als verletzend empfunden worden. Hans
Asbeck hat im Gespräch beim Schulleiter den Initiatoren erklärt,
dass es nicht seine Absicht war, sie oder andere Beteiligte zu beleidigen.
(Den Vorwurf, er habe die Kontroverse sofort in die "Öffentlichkeit"
getragen, halten wir deshalb für unbegründet, weil sie durch
die sinnvolle Einbeziehung außerschulischer Partner in keinem Fall
"in der Schule" gehalten werden konnte. Eine dauerhafte "Störung
des Schulfriedens" tritt u.E. ein, wenn an der IGS Linden, die das
Prädikat "Schule mit Courage ? Schule ohne Rassismus" trägt,
Konfliktregelung mit Ausgrenzung beginnt. Es gibt an unserer Schule eine
von Schulleitung und Schulpersonalrat erarbeitete Konfliktregelung, die
für solche Fälle gedacht ist, in denen eine Lösung durch
direkte Gespräche nicht sofort möglich ist. Sie ist nicht eingehalten
worden.)
Wir müssen dazu kommen, sowohl über den inhaltlichen Dissens
als auch über den Umgang mit dem Konflikt zu diskutieren.
fdR
[Unterschrift]
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